Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
Pressekonferenzen des Quartetts scheute ich mich nicht, meine eigene unabhängige Position als UN -Generalsekretär zu betonen und abweichende Auffassungen zu äußern. Es war Colin Powell hoch anzurechnen, dass er für eine solche Zusammenarbeit offen war. Andere in seiner Position hätten die Idee des Quartetts womöglich von vornherein abgelehnt. In Wirklichkeit verwies Powell in seinen internen Kämpfen in Washington wahrscheinlich auf die an das Quartett geknüpften Erwartungen und auf den Wunsch anderer Akteure, an dem Prozess beteiligt zu werden, um auf eine aktivere amerikanische Rolle in der Diplomatie hinzuwirken.
Arabische Friedensinitiative, Pessachanschlag, Verteidigungsschild
Im März 2002 nahm ich am Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Beirut teil. Alle warteten gespannt auf die Videoansprache Arafats aus dem belagerten Ramallah. Die arabischen Politiker befürchteten, dass Scharon ihn in nächster Zukunft töten lassen oder vertreiben würde. Plötzlich war die Leinwand leer – kein Arafat, keine Rede. Hatten die Israelis sein Quartier angegriffen?, fragten sich einige.Nichts dergleichen. Wie Terje Rød-Larsen hinterher von Präsident Lahoud erfuhr, hatte dieser persönlich die Leitung gekappt. Im Libanon war Arafat auch zwei Jahrzehnte, nachdem er von Israel aus Beirut vertrieben worden war, immer noch verhasst.
Obwohl mich diese tragikomische Episode an die vielen Differenzen innerhalb der arabischen Welt erinnerte, einschließlich der Feindschaft zwischen Arafat und einer Reihe arabischer Führer, erreichten die Araber auf dem Beiruter Gipfel ein seltenes Maß an Einigkeit. Sie billigten den Friedensvorschlag des saudischen Kronprinzen Abdullah, der im Gegenzug für die Rückgabe der 1967 besetzten Gebiete und eine gerechte, einmütig beschlossene Lösung für die Flüchtlinge auf der Grundlage der 1948 beschlossenen UN -Resolution 194 eine volle Normalisierung der Beziehungen aller Mitglieder der Arabischen Liga zu Israel versprach. Seit die Liga 1967 auf ihrem Gipfel in Karthum die berühmten drei Neins gesprochen hatte – nein zu einem Frieden mit Israel, nein zur Anerkennung Israels, nein zu Verhandlungen mit Israel –, hatte sie einen langen Weg zurückgelegt. Wenn Israel mit den Palästinensern, Syrien und dem Libanon wahrhaft Frieden schlösse, würde, wie es die Friedensinitiative versprach, in 22 arabischen Ländern die israelische Fahne wehen, und gleichzeitig würden diese Länder ihre Fahnen in Israel aufziehen. Die Zwei-Staaten-Lösung konnte zur 22-Staaten-Lösung werden, wie manche es ausdrückten. Bis heute ist der saudische Vorschlag von 2002 das attraktivste arabische Angebot, das auf dem Tisch liegt, bietet er Israel doch etwas weit Größeres an als ein bilaterales Abkommen mit der PLO .
Aber Scharon ignorierte das Angebot. Als die Israelis später gefragt wurden, warum sie auf diesen historischen Eröffnungszug nicht eingegangen seien, verwiesen sie auf die Erwähnung der UN -Resolution 194 – die unter anderem ein Rückkehrrecht garantierte – und deren für sie unannehmbare Bedingungen. Damit bezogen sie sich auf die arabische Forderung, dass alle Flüchtlinge das Recht hätten, in ihre Häuser zurückzukehren, die sie während des Krieges von 1948 nach der Gründung Israels verlassen hatten. Würde sie erfüllt, würde Israel von zurückkehrenden arabischen Flüchtlingen und deren Nachkommen geradezu überschwemmt. In der arabischen Friedensinitiative war allerdings von einer »einmütig beschlossenen« Lösung dieser Frage die Rede. Israel hätte zumindest seinerseits einen Eröffnungszug machen können. Doch das hat es bis heute nicht getan.
Am selben Tag, an dem die Arabische Liga ihr historisches Angebot unterbreitete, beschloss die Hamas, mit einem blutigen Signal ihren Standpunkt klarzumachen: Bei einem Selbstmordanschlag auf ein Pessachmahl wurden 29 Israelis getötet und rund 150 verwundet. Es war eine schockierende, entsetzlich zerstörerische Tat, auf die Arafat mit einer scharfen Verurteilung reagieren musste, wenn der Impuls des saudischen Friedensvorschlags nicht verlorengehen sollte. Viermal rief ich Arafat in jener Nacht aus Beirut an – die Verbindung wurde immer wieder unterbrochen – und drängte ihn, den Anschlag zu verurteilen und der israelischen Öffentlichkeit zu zeigen, dass er aufrichtig einen anderen Weg zur Erfüllung der palästinensischen Ansprüche suchte.
Der grausame Bombenanschlag war der letzte Grund für die israelische
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