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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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Menschenrechtsrat, und die Israelis verweigerten die Zusammenarbeit mit dem Hinweis darauf, dass das Mandat, welches er vom Menschenrechtsrat erhalten hatte, voreingenommen war. Aber wie die Jenin-Episode zeigte, war Israel häufig auch dann nicht zur Zusammenarbeit bereit, wenn die betreffende Kommission ein völlig unparteiisches Mandat hatte. Die Weigerung, mit einem nüchternen, erfahrenen Profi wie Ahtisaari zusammenzuarbeiten, war umso frustrierender, als sich später im Jahr, als sich der Wirbel gelegt hatte, herausstellte, dass es zwar schwere Übergriffe durch israelische Soldaten gegeben hatte, die grausigsten Meldungen über ein »Massaker« aber falsch waren, wie ich in meinem auf öffentlich zugängliche Quellen gestützten Bericht vor der Generalversammlung darlegte (ohne selbst in Jenin gewesen zu sein).
    Die Debatten über UN -Untersuchungen nach bestimmten Ereignissen weisen wiederkehrende Charakteristika auf. Wenn bei Operationen der israelischen Armee palästinensische Zivilisten getötet werden, erklärt Israel, es handle sich um unbeabsichtigte Fehler einer Truppe, die trotz aller Zurückhaltung und Vorsicht vor der schwierigen Aufgabe stehe, gegen Kämpfer in dicht besiedelten Städten vorgehen zu müssen. Palästinenser und Araber andererseits haben den Eindruck, dass Israel zur Aufrechterhaltung der Besetzung extreme Gewalt anwende und dies ungestraft tun könne. Die Israelis behaupten, sie stünden unter besonderer Beobachtung, die Palästinenser behaupten, die Israelis kämen ungeschoren davon. Der UN -Generalsekretär hingegen muss beständig und auf unparteiische Weise das für alle Konfliktparteien geltende humanitäre Völkerrecht hochhalten.
    Bei anderer Gelegenheit, ein Jahr zuvor, hatten die Israelis wirklich Grund zur Klage über die UNO . Mitte 2001 erhielten sie davon Kenntnis, dass UNIFIL im Besitz eines Videobandes sei, auf dem drei von der Hisbollah entführte israelische Soldaten zu sehen waren. Ich wusste ebenso wenig wie meine engsten Berater etwas von dem Band. Tatsächlich versicherten uns Vertreter von DPKO und UNIFIL auf Nachfrage, dass es ein solches Band nicht gebe. Dies teilten wir den Israelis mit und verwahrten uns sogar nachdrücklich gegen ihre Behauptung, dass das Gegenteil der Fall sei.
    Als die Israelis nicht lockerließen, überprüften wir die Sache noch einmal und mussten zu meinem Entsetzen feststellen, dass ein Abteilungsleiter der DPKO von dem Band wusste, es sogar besaß und es versäumt hatte, seine Vorgesetzten über dessen Existenz zu informieren. Wir gestatteten den Israelis schließlich, sich die Aufnahmen anzuschauen. Aber die traurige Episode war ein Rückschlag für unsere Bemühungen, das Vertrauen Israels zu gewinnen. Ich bildete eine Untersuchungskommission, deren Bericht schwerwiegende Fehleinschätzungen und ethische Mängel auf Seiten von DPKO und UNIFIL in dieser Angelegenheit offenlegte.
    Ungefähr zur gleichen Zeit fand in Durban die Dritte Weltkonferenz gegen Rassismus statt. Ich selbst hatte zwar wenig mit ihr zu tun, aber in israelischen Augen handelte es sich um ein gegen Israel gerichtetes Spektakel unter Schirmherrschaft der UNO – eine Sichtweise, welche die bedeutenden Ergebnisse von Durban überschattete. All das hing bei dem Versuch, im Nahen Osten zu vermitteln, wie ein Mühlstein um den Hals des UN -Generalsekretärs.
    Die Roadmap
    Im Juni 2002 legte sich George Bush in einer Rede auf eine Zwei-Staaten-Lösung fest. Damit hatten sich sowohl die Araber (in Beirut) als auch die Vereinigten Staaten, trotz der Verheerungen der Intifada, nicht nur öffentlich für Frieden, sondern auch für ein klares Endziel ausgesprochen. Freilich hatte Bush, abgesehen von der Forderung nach einer neuen palästinensischen Führung, die nicht durch Terroraktivitäten kompromittiert war, nicht erklärt, wie dieses Endziel erreicht werden sollte. Ein Jahr zuvor hatte ich zu Powell gesagt: »Wir brauchen nicht nur einen Waffenstillstand, sondern auch einen Zeitplan für Wirtschaft und Politik, eine Roadmap, und zwar eine, die auch überwacht wird.« Da viele ähnliche Ideen hatten, war man nach Bushs Rede bald allgemein der Ansicht – unter anderem durch die Mithilfe Jordaniens –, dass eine Roadmap für den Weg zum Endziel nötig war.
    Die Roadmap war nicht dazu da, eine zwischen den Konfliktparteien ausgehandelte Lösung zu ersetzen. Vielmehr sollte sie die Atmosphäre für solche Verhandlungen schaffen, indem das durch das Scheitern von Oslo

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