Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
offensichtlich, dass irgendwann eine politische Initiative nötig sein würde, um die Gewalt zu beenden und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zurückzubringen, und dass die in der Zwischenzeit zu erwartenden Todesopfer eine sinnlose Verschwendung menschlichen Lebens darstellten. Doch Bush zeigte keinerlei Neigung, zu intervenieren, obwohl Powell versuchte, die Regierung zu einem Engagement zu bewegen.
Nach dem 11. September 2001 fühlte sich Bush in seiner instinktiven Ablehnung eines Engagements in dem Konflikt bestärkt, anders als Tony Blair, der seine Erkenntnis, dass Fortschritte in Palästina von entscheidender Bedeutung waren, bestätigt sah. Außerdem hegte Bush eine tiefe persönliche Antipathie gegenüber Arafat. Während der Sitzungsperiode der UNO -Generalversammlung im November 2001 – der ersten nach den Terroranschlägen vom 11. September – gab ich ein Abendessen für einige Staatschefs. Javier Solana schlenderte zu Bush und mir herüber und schlug beiläufig vor, der US -Präsident könne die Gelegenheit nutzen, um Arafat die Hand zu reichen. »Sagen Sie ihm, er soll sich selbst die Hand schütteln«, antwortete der Texaner auf seine unnachahmliche Art. Bei einer anderen Gelegenheit machte ich selbst Bush den Vorschlag, Bill Clinton zu seinem Sonderbeauftragten zu ernennen – mit dem Hintergedanken, dass Bush dann das Verdienst an jedem Erfolg für sich selbst beanspruchen könnte, während es ihm die Möglichkeit beließ, sich von Fehlschlägen zu distanzieren. »Danke für den guten Rat«, entgegnete er. Das war ein unmissverständliches Nein.
Ich machte mir keine Illusionen darüber, dass es mir gelingen könnte, diesen Konflikt allein zu schlichten. Deshalb versuchte ich weiterhin, die internationalen Hauptakteure zusammenzubringen – die Vereinigten Staaten, die UNO , die Europäische Union und Russland. Die Amerikaner hatten bei weitem das größte Gewicht; ohne ihre Führung war kaum etwas zu erreichen. Die UNO verkörperte die internationalen Prinzipien für eine Lösung und besaß vor Ort eine beachtliche Präsenz. Die EU konnte massive politische und finanzielle Ressourcen einbringen, und Russland spielte seit langem eine Rolle in der Region. 2001 schlug ich Powell vor, gemeinsam mit mir, Solana und dem russischen Außenminister Igor Iwanow in die Region zu reisen, um die Konfliktparteien vom Abgrund wegzuziehen. Unsere Vertreter vor Ort arbeiteten bereits eng zusammen, und ich hielt den Zeitpunkt für gekommen, die Sache auf eine neue Ebene zu heben.
Leider fand Powell in Washington keine Zustimmung für das Vorhaben, und so reiste ich schließlich allein in die Region, betonte jedoch, dass ich in enger Absprache mit den anderen drei Mächten handelte. Es war eine deprimierende Reise. Scharon verlangte als Voraussetzung dafür, dass er das Vorgehen der israelischen Armee lockerte, völlige Ruhe auf der Westbank, und Arafat reagierte auf entnervende Weise ausweichend, als ich ihn bat, die palästinensischen Angriffe einzuschränken. In Kairo lehnte Mubarak meinen Vorschlag für ein Treffen mit dem israelischen Regierungschef mit der spöttischen Bemerkung ab, Scharon sei »zu beschäftigt damit zu essen«.
Ich drängte weiterhin auf ein Treffen in der Region zwischen den vier wichtigsten außenstehenden Mächten – Russland, den USA , der EU und der UNO –, wandte mich im Oktober 2001 schließlich brieflich an sie und brachte sie im November zu einer ersten offiziellen Unterredung über den Nahen Osten in New York zusammen. Mein Vorschlag, in Zukunft unter dem Namen Nahostquartett zusammenzuarbeiten, fand allseitige Zustimmung. Ich hoffte, mit Hilfe des Quartetts in der Praxis erreichen zu können, was der UNO bisher mit ihren eigenen Institutionen nicht gelungen war: eine internationale Strategie für den Friedensprozess im Nahen Osten zu entwickeln und anzuwenden sowie den Konfliktparteien zu helfen, das abgrundtiefe Misstrauen und die politischen Hemmnisse zu überwinden, die sie davon abhielten, aufeinander zuzugehen. Das Quartett war ein Vehikel mit vier Rädern, aber sein Motor war selbstverständlich »Made in America«, was insbesondere für meine Stellung ein gewisses Risiko mit sich brachte. Doch ich hoffte, wenigstens eine Hand ans Lenkrad legen zu können, und dies gelang mir auch recht oft.
In öffentlichen Verlautbarungen gab das Nahostquartett Konsensmeinungen wider, die vor allem von den Forderungen der Vereinigten Staaten geprägt waren. Aber auf
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