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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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Operation »Verteidigungsschild« im April 2002, eine massive militärische Aktion mit dem erklärten Ziel, die Verantwortlichen für die Angriffe auf Israel aufzuspüren. Israel besetzte erneut sechs der größten Städte auf der Westbank, verhängte eine totale Ausgangssperre und zerstörte die palästinensische Sicherheitsinfrastruktur, so dass anschließend das Feld frei war für Angriffe von noch militanteren Kämpfern.
    Die Schreckensbilder häuften sich: die chaotischen, blutbeschmierten Trümmer des durch den Pessachanschlag verwüsteten Hotels; Arafats schwer beschädigter, von israelischen Panzern eingekreister Präsidentensitz in Ramallah; palästinensische Kämpfer, die sich in der von israelischen Truppen umstellten Geburtskirche in Bethlehem verschanzt hatten; das nahezu vollständig zerstörte palästinensische Flüchtlingslager im Zentrum von Jenin. Ich war entsetzt über die Gräuel, die militante Palästinenser begingen; zwischen März und Anfang Mai verübten sie 16 Bombenanschläge, bei denen mehr als hundert Israelis ums Leben kamen. Israel andererseits verursachte in derselben Zeitspanne noch weit größeres Leid: Fast fünfhundert Palästinenser starben, und rund 1500 wurden verwundet.
    Während die Gewalt zunahm, trat der Sicherheitsrat nahezu ununterbrochen zusammen. Immer wieder dachten wir, die Situation könne sich nicht mehr verschlechtern, doch am nächsten Tag war sie noch schlimmer geworden. In meinen Reden vor dem Rat verurteilte ich den Terrorismus rückhaltlos, rügte aber auch den exzessiven israelischen Gewalteinsatz sowie die Tatsache, dass Israel den Palästinensern die elementarste humanitäre Fürsorge verweigerte. Ich versuchte öffentlichen Druck auf die Konfliktparteien aufzubauen, indem ich sie mahnte, sich nicht von Phantasievorstellungen mitreißen zu lassen. Israel warnte ich, dass es eine »Fehleinschätzung monumentalen Ausmaßes« sei, »anzunehmen, durch die Entfernung des Vorsitzenden Arafat von der politischen Bühne und die Zerschlagung der Palästinensischen Autonomiebehörde würden Bedingungen geschaffen, unter denen Israel Sicherheit für sich selbst erreichen könne«. Die Autonomiebehörde andererseits, fügte ich bedauernd hinzu, scheine »zu glauben, mangelndes Vorgehen gegen Terrorismus auf der einen Seite und die Entfachung von Aufruhr, Chaos und Instabilität auf der anderen würden die Regierung und die Bevölkerung Israels dazu bringen, klein beizugeben. Das werden sie nicht.«
    Es war klar, dass die Weltgemeinschaft den Kreislauf der Gewalt allein mit Waffenstillstandsvorschlägen, ohne ein umfassendes politisches Programm, nicht durchbrechen konnte. Sicherheit und Politik mussten Hand in Hand gehen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Vereinigten Staaten, entsprechend Scharons Wünschen, ganz auf einen Waffenstillstand konzentriert, den CIA -Direktor George Tenet und General Anthony Zinni erreichen sollten. Doch sie überfrachteten die Entwicklung eines politischen Horizonts mit derart vielen Bedingungen, dass er niemals zustande kommen würde. Damit spielten sie denjenigen in die Hände, die eine Zunahme der Gewalt anstrebten und den Friedensprozess aufhalten wollten. Mein Sprecher Fred Eckhard brachte, unabsichtlich, die Absurdität der Lage auf den Punkt, als er (ausgerechnet am 1. April 2002) auf die Frage eines Journalisten antwortete:
    » US -Vermittler General Anthony Zinni versucht, beide Seiten dazu zu bringen, mit dem Tenet-Prozess zu beginnen – was zu den Mitchell-Übereinkünften zurückführen soll, was zum Verhandlungstisch zurückführen soll. Aber sie stecken immer noch in der Vor-Tenet-Phase fest, während die Gewalt weitergeht.«
    Sogar George W. Bush schien wahrzunehmen, dass die Dinge nicht weiterlaufen konnten wie bisher. Am 30. März sagte er zu mir in einem Telefonat:
    »Wir müssen Israels Recht auf Selbstverteidigung anerkennen. Andererseits muss Sicherheit zum Frieden führen. Bisher führt Sicherheit nicht einmal zur Sicherheit. Wir untersuchen die Grundlagen von Zinnis Mission. Die Situation hat ihn überfordert.«
    Die Vereinigten Staaten versetzten den Sicherheitsrat in die Lage, zwei Resolutionen zu verabschieden – 1397 über eine Zwei-Staaten-Lösung, die die arabische Friedensinitiative wenigstens erwähnte, und 1402 über die Gewalt vor Ort, die jedoch keine bindenden Verpflichtungen für die Konfliktparteien enthielt.
    Bald darauf forderte Bush Scharon öffentlich auf, die israelischen Truppen aus den

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