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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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israelischen Armee im Jahr 2000 schien die syrische Rolle im Libanon jedoch zunehmend von niedrigen Beweggründen bestimmt zu sein, unter anderem von korrupten syrischen Wirtschafts- und Geheimdienstinteressen. Syrien unterhielt enge Verbindungen zur Hisbollah, die nach dem israelischen Rückzug stärker wurde, und rechtfertigte die Stationierung seiner »Widerstandswaffen« mit der Behauptung, die Schebaa-Farmen seien unbefreites libanesisches Territorium. Die libanesische Regierung war nicht in der Lage oder willens, im Süden des Landes ihre Autorität durchzusetzen, und überließ es UNIFIL , einen unsicheren Frieden zwischen den israelischen Stellungen südlich und den Hisbollah-Stellungen nördlich der Blauen Linie aufrechtzuerhalten.
    Im September 2004 arrangierte der syrische Präsident Baschar al-Assad eine Verlängerung der Amtszeit des prosyrischen libanesischen Präsidenten Lahoud um drei Jahre, indem er die libanesische Regierung zwang, das Gesetz über die Amtszeiten entsprechend zu ändern. Nach meiner Erfahrung verhieß ein solcher Schritt nie Gutes; für gewöhnlich wurde er in Afrika unternommen, und ich übte quasi gewohnheitsmäßig scharfe Kritik an starken Männern, die verfassungsmäßige Einschränkungen der präsidialen Amtszeit über den Haufen warfen. Dieser Schritt und die Art seiner Ausführung hatten ein Zerwürfnis zwischen Assad und Hariri zur Folge, der wenig später zurücktrat.
    Assad bestätigte durch sein Vorgehen den Eindruck, den ich in den Verhandlungen über die Blaue Linie von ihm gewonnen hatte. Nach meiner ersten Begegnung mit ihm im Jahr 2000 beschrieb ich ihn als »Sohn seines Vaters und modernen Mann«. Damit meinte ich, dass er das Potential besaß, sein Land zu reformieren. Ein gutes Jahrzehnt später bestätigte mir seine Reaktion auf die Forderung des sich erhebenden syrischen Volks nach Reformen – nicht nach einer Revolution – den beunruhigenden Verdacht, dass er sich mit einer kleinen Gruppe alawitischer Sicherheitsoffiziere verbunden hatte und entschlossen war, seine Macht mit allen Mitteln zu behaupten. Dazu gehörte auch ein neuerlicher Angriff auf die Stadt Hama, die schon zuzeiten seines Vaters eine brutale Militäraktion mit schätzungsweise zehntausend Toten über sich ergehen lassen musste. Während ich dies schreibe, erlebt Syrien die gewaltsamste Reaktion einer Regierung auf den arabischen Frühling. Tausende von Menschen werden von den Sicherheitskräften getötet, und ein Ende ist nicht in Sicht.
    Ebenso wie Assad 2011 sein eigenes Volk falsch einschätzte, hatte er im Jahr 2004 die Libanesen verkannt. Seine Intervention gegen Hariri hatte zur Folge, dass sich Christen, Sunniten und Drusen in der Opposition gegen ihn zusammenfanden; nur die Schiiten, einschließlich der Hisbollah, blieben überwiegend Syrien treu. Darüber hinaus hatte Assad die internationale Szene falsch eingeschätzt. Sein Vorgehen im Libanon erreichte, woran bisher jeder gescheitert war: Es brachte US -Präsident Bush und den französischen Präsidenten Chirac, die sich wegen des Irakkriegs zerstritten hatten, wieder zusammen, denn sie waren sich darin einig, dass wegen des Libanon Druck auf Syrien ausgeübt werden musste.
    Chirac, der nicht die Absicht hatte, das syrische Regime zu gefährden, setzte sich dafür ein, dem neuen Präsidenten die Hand zu reichen. Aber die Verlängerung von Lahouds Amtszeit war in seinen Augen ein Staatsstreich gegen eine aufblühende arabische Demokratie und gegen seinen engen persönlichen Freund Rafiq al-Hariri. Die Haltung der Vereinigten Staaten wurde eher durch die Auswirkungen der Invasion des Irak und ihr Bestreben bestimmt, jeder Kraft entgegenzutreten, die in der Region für Instabilität sorgte. Assad seinerseits schien entschlossen zu sein, auf seinen Vorrechten im Libanon zu beharren, und da ein Frieden mit Israel nicht in Sicht war, bemühte er sich um ein engeres Bündnis mit dem Iran und der Hisbollah. Damit waren alle Zutaten für einen Showdown beisammen.
    Da Assad bereit war, die Verlängerung von Lahouds Amtszeit mit Gewalt durchzusetzen, brachten die Vereinigten Staaten und Frankreich die Resolution 1559 in den Sicherheitsrat ein, der sie billigte, wenn auch nur mit neun Stimmen, da sich Russland und China der Stimme enthielten. Die Resolution verlangte die volle Wiederherstellung der Souveränität und politischen Unabhängigkeit des Libanon. Im Einzelnen forderte sie freie Wahlen, den Abzug aller verbliebenen ausländischen

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