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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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unterzeichnen, die auch nach meiner Auffassung unannehmbare Positionen vertrat. Aber ich respektierte die Wahl der Palästinenser und wollte wissen, ob das Quartett zur Zusammenarbeit mit der Hamas bereit sei, wenn diese sich den genannten Prinzipien annäherte, ohne sie gänzlich zu übernehmen. Rice antwortete ausweichend. Wir steuerten offenbar in schwierige Gewässer.
    Differenzen innerhalb des Nahostquartetts waren nichts Ungewöhnliches, aber noch nie war die Kluft so tief gewesen. Die Vereinigten Staaten und die EU, die Hauptgeldgeber der Palästinensischen Autonomiebehörde, betrachteten die Hamas als Terrorgruppe, während Russland und die UNO keine derartigen Vorbehalte hegten und die UNO zudem eine überragende humanitäre Verantwortung für die Wohlfahrt der Palästinenser hatte. Wir schlugen dem Quartett eine »gemeinsame, aber differenzierte« Vorgehensweise vor: Die Mitglieder ohne Vorbehalte sollten die notwendigen Gespräche mit der Hamas führen, während die Mitglieder mit Vorbehalten von außen Druck ausüben sollten. Doch Rice wollte nichts davon hören. »Tatsache ist, dass wir geteilter Meinung sind, und das können wir nicht verbergen«, sagte sie am 28. März in einem Telefongespräch zu Quartett-Angelegenheiten. Als ich ein Treffen des Nahostquartetts vorschlug, um weiter darüber zu diskutieren, entgegnete sie: »Ich freue mich immer, Sie zu sehen, bin aber nicht sicher, dass es noch etwas gibt, das im Quartett diskutiert werden könnte.«
    Meine unmittelbare Sorge war, dass die Palästinensische Autonomiebehörde lebensfähig blieb. De Soto und Wolfensohn bereiteten Studien vor, in denen sie voraussagten, dass das Gesundheits- und Bildungswesen im Chaos versinken würde, wenn man der Autonomiebehörde den Geldhahn zudrehte. Außerdem bekäme man es mit einem über die ausbleibenden Gehaltszahlungen verärgerten Sicherheitssektor zu tun. Die Arbeit des Institutionenaufbaus von über zehn Jahren, wie unvollkommen sie auch sein mochte, wäre umsonst gewesen.
    Die Amerikaner schien das nicht zu kümmern. Tatsächlich warnten sowohl Wolfensohn als auch de Soto davor, dass die Vereinigten Staaten den Zusammenbruch der Palästinensischen Autonomiebehörde und mit ihr der Hamas anstrebten. Israel verfolgte dasselbe Ziel. Scharons Berater Dov Weisglass erklärte meinem Sonderbeauftragten, mehr als »ein paar Tage« öffentlicher Proteste seien nicht nötig, um die Hamas zu zwingen, die internationalen Forderungen zu erfüllen, oder ihren Sturz herbeizuführen. Dennoch wollten die Geberländer offensichtlich kein Geld an die Autonomiebehörde überweisen, solange keine Anzeichen für eine ernsthafte politische Wandlung der Hamas zu erkennen waren, insbesondere in Bezug auf ihre Haltung zur Gewalt und zur Zwei-Staaten-Lösung.
    »Wenn man uns vorwirft, den Sturz der Hamas sowie sozialen und ökonomischen Aufruhr in den Gebieten verursacht zu haben, wird man es uns nie verzeihen«, sagte ich im April in einem Telefongespräch zu Javier Solana. Glücklicherweise war er ebenso wie Benita Ferrero-Waldner, die Chris Patten auf dem Posten des EU -Kommissars für Außenangelegenheiten abgelöst hatte, meiner Meinung. Sie installierten einen temporären internationalen Mechanismus, um Geld in die wichtigsten Bereiche des öffentlichen Diensts in den Palästinensergebieten pumpen zu können, mitsamt Sicherheitsvorkehrungen, die verhindern sollten, dass Mittel für andere Zwecke abgezweigt wurden. Doch allein die Zustimmung der Amerikaner dafür zu erhalten erwies sich als schwierig. Der EU -Mechanismus zögerte den Niedergang der palästinensischen Institutionen hinaus, konnte ihn aber nicht verhindern. Ich hoffte, der völlige Zusammenbruch ließe sich vermeiden, wenn sich die Palästinenser auf eine Einheitsregierung mit einem vernünftigen politischen Programm verständigen könnten. Dies erforderte jedoch, dass die Hamas sich bewegte und die Geberländer nicht auf hundertprozentiger Erfüllung ihrer Forderungen bestanden.
    Einige meiner Berater hielten es außerdem für notwendig, in einen politischen Dialog mit der Hamas einzutreten, um deren Absichten zu sondieren, ihre Führer über die politische Verantwortung sowohl der Regierungstätigkeit als auch der Teilnahme am politischen Prozess aufzuklären, ihnen die Erwartungen der Weltgemeinschaft direkt vor Augen zu führen und sie zu einer weiteren politischen Evolution zu ermuntern. Ich hatte keine grundsätzlichen Einwände dagegen; immerhin stand die

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