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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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reisen, da Meldungen eintrafen, nach denen der syrische Geheimdienst weiterhin in dem Land aktiv war – was zweifellos zutraf, denn damals hatten viele Länder Agenten im Libanon stationiert –, aber er schien sich nicht massiv in den Wahlprozess einzumischen.
    Ende 2005, Anfang 2006 ließ die Schwungkraft der Resolution 1559 nach, vor allem weil die vielen verbliebenen Probleme schwerer zu lösen waren und eines internationalen politischen Konsenses bedurften. Im Libanon kam ein nationaler Dialog in Gang, in dem Themen wie die Präsidentschaft sowie die Waffen der Hisbollah und der Palästinenser diskutiert wurden. 2005 behauptete Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah öffentlich, seine Bewegung verfüge über mehr als 12 000 Raketen. Aber die libanesische Armee weigerte sich, Waffenlager der Hisbollah auszuheben, da diese immer noch als Verkörperung des Widerstands gegen Israel betrachtet wurde. Interessanterweise ergab sich aus dem nationalen Dialog ein libanesischer Konsens, dem zufolge der Libanon nach einer Rückgabe der Schebaa-Farmen keine territorialen Ansprüche an Israel mehr hätte. Auf diese Weise würde implizit auch die Behauptung der Hisbollah, dass sie Waffen brauche, um libanesische Gebiete zu befreien, obsolet werden.
    Damit eröffnete sich eine potentiell vielversprechende Perspektive. Als Scharon zum ersten Mal als Ministerpräsident zur UN -Generalversammlung anreiste, um sich im Glanz des israelischen Rückzugs aus dem Gazastreifen zu sonnen, drängte ich ihn, den nächsten mutigen Schritt zu unternehmen – die Aufgabe der Schebaa-Farmen; wenn nicht anders möglich, könnten sie der UNO übergeben werden. Sie waren eindeutig kein israelisches Territorium, und ein israelischer Rückzug könnte die Position der Hisbollah in der innenpolitischen Debatte des Libanon schwächen und den libanesischen Ministerpräsidenten Fouad Siniora stärken, der an der Spitze der nach den Mai-Wahlen gebildeten, sich auf Hariri berufenden Regierung stand. Israel hatte starke Vorbehalte dagegen, wieder aufzuschnüren, was im Jahr 2000, als ich die Blaue Linie zog, geknüpft worden war. Als wir uns im September 2005 trafen, schien Scharon jedoch einen solchen Schritt zu erwägen. Bis zu seinem schweren Schlaganfall einige Monate später geschah indes nichts, und bald darauf trat Ehud Olmert an seine Stelle.
    Es gab noch eine andere Lösung für die Schebaa-Frage: eine bilaterale Einigung zwischen Syrien und dem Libanon über den Verlauf der Grenze. Aber Syrien unternahm nichts in dieser Richtung, da es ein weiteres Signal seines Rückzugs aus dem Libanon gewesen wäre. Über diese wichtigen, wenn auch etwas verzwickten Fragen wurde diskutiert, als an der Blauen Linie ein Krieg ausbrach.
    Der Libanon: der Krieg von 2006 und die Resolution 1701
    Im Prolog bin ich auf viele Aspekte meiner diplomatischen Tätigkeit in dem 34-tägigen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Juli und August 2006 eingegangen. In jenem Konflikt kamen fast alle Elemente zusammen, die den Nahen Osten so unbeständig machen; zugleich war er ein eindrückliches Beispiel für die symbiotische Beziehung zwischen dem UN -Generalsekretär und dem Sicherheitsrat in einer schweren internationalen Krise.
    Die Spaltung, die im Sicherheitsrat zutage trat, spiegelte sich in den Adjektiven wider, mit denen das Ziel der internationalen Diplomatie beschrieben wurde – bestand es in einem »sofortigen« oder einem »dauerhaften« Ende der Gewalt? Diejenigen, die Ersteres forderten, fürchteten, dass der Krieg, je länger er dauerte, desto mehr libanesische und israelische Zivilisten das Leben kosten, die Hisbollah stärken, Sinioras Regierung schwächen sowie Israel und seine westlichen Verbündeten beschädigen würde. Ich selbst war während des gesamten Krieges vielleicht der lautstärkste und sichtbarste Verfechter dieser Ansicht, aber auch viele europäische und arabische Staatsmänner sowie nichtwestliche Sicherheitsratsmitglieder waren derselben Auffassung.
    Das andere Lager wollte Israel Zeit lassen, »die Mission zu beenden«. Nach ihrer Meinung konnte der Krieg nicht beendet werden, solange die ihm »zugrunde liegende Ursache«, womit das Waffenarsenal der Hisbollah gemeint war, nicht beseitigt war. Zu diesem Lager, an dessen Spitze Bush und Blair standen, gehörten einige arabische Führer, die wollten, dass der Hisbollah ein Schlag versetzt würde, und natürlich Israel.
    Während ich das Argument teilte, dass die Krise nicht einfach durch

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