Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
festgenommen, dann aber mangels Beweisen wieder freigelassen. Das hat die Untersuchung ebenso gehemmt wie die Tatsache, dass ein Schlüsselzeuge ermordet wurde. Wenn die Politik ein rasantes Tempo vorlegt, kann die Langsamkeit der internationalen Justiz zum Problem werden.
An die Stelle der Internationalen Unabhängigen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen ( UNIIC ) trat schließlich ein UN -Sondergerichtshof für den Libanon, der am 17. August 2011 einen Abschlussbericht vorlegte, einschließlich mehrerer Urteile gegen vier Hisbollah-Mitglieder. Obwohl die Urteile einen wichtigen Schritt darstellen, gestaltet sich ihr Vollzug im Mahlstrom der libanesischen Politik und aufgrund der Tatsache, dass die Hisbollah heute in der libanesischen Regierung eine Sperrmehrheit besitzt, zwangsläufig schwierig. Die Stabilität des Libanon ist schon unter den besten Umständen schwer aufrechtzuerhalten. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Angelegenheit in den kommenden Jahren auf die libanesische Politik auswirken wird.
Der Libanon: die Zedernrevolution und der Rückzug Syriens
Die internationale Empörung über die Ermordung Hariris machte zusammen mit den Massendemonstrationen in den Straßen von Beirut klar, dass die Menschen auf freien Parlamentswahlen bestanden und dass Syrien nicht in der Lage sein würde, seine Militärpräsenz beizubehalten. Die Blöcke, von denen man im heutigen Libanon spricht – der prosyrische 8. März und der antisyrische 14. März –, sind nach den Terminen von Massendemonstrationen jener Zeit benannt.
Es war ein diplomatischer Durchbruch, als Assad am 12. März 2005 Rød-Larsen in Aleppo mitteilte, dass er vorhabe, die syrischen Truppen nach einem konkreten Zeitplan aus dem Libanon abzuziehen. Ende März drängte ich ihn dann bei einem Treffen in Algier, seinen Zeitplan bald vorzulegen und dafür zu sorgen, dass seine Truppen und sein Geheimdienst noch vor den libanesischen Wahlen das Land verließen. Starke Unterstützung erhielten wir aus Washington und Paris; Bush, Chirac und Rice gratulierten mir telefonisch zu unserer Arbeit, aber ich versuchte, mich in meinem Engagement nicht von diesem hochtönenden Interesse beeinflussen zu lassen. In meinen Ohren klang die amerikanische Lobhudelei wie eine Ironie, denn immerhin hatte Präsident Bush gerade erst John Bolton, einen bekannten Gegner der UNO , zum amerikanischen Botschafter bei den Vereinten Nationen ernannt. Dies war kaum ein Zeichen der Unterstützung für mich oder die Institution.
Ende März wurden in Beirut innerhalb von neun Tagen vier Bombenanschläge verübt. Die Forderungen der Sicherheitsratsresolutionen 1559 und 1995 bildeten das Wahlkampfprogramm der Opposition, sie waren deren Bedingungen für die Beteiligung an einer Regierung der nationalen Einheit: faire, freie Wahlen, eine internationale Untersuchung des Mordes an Hariri, der syrische Rückzug sowie der Rücktritt der Führung der libanesischen Sicherheitskräfte. Schließlich wurde der Wahltermin auf den 29. Mai festgelegt, und die UNO leistete technische Hilfe, damit der gebrechliche Staat die Wahlen durchführen konnte.
Anfang April kehrte mein Sonderbeauftragter nach Damaskus zurück, um den syrischen Zeitplan für den Rückzug sämtlicher syrischer Truppen, Einrichtungen und Geheimdiensteinheiten bis zum 30. April entgegenzunehmen. Assad rief mich an, um mich zu bitten, den nächsten Bericht über die Umsetzung der Resolution 1559 bis zum 26. April zu verschieben. Bis zu diesem Tag werde der syrische Rückzug vollendet sein. »Das steht fest«, versprach er, »da können Sie sicher sein.« Rice und Chirac waren entsetzt, dass ich Assads Bitte nachgegeben hatte, und versuchten mich umzustimmen. Aber ich hatte von Assad die substantielle Zusicherung erhalten, die ich brauchte, und sah keinen Anlass, nun noch dafür zu sorgen, dass er sein Gesicht verlor. Außerdem hatte ich die Absicht, die Kontrolle über meine Berichterstattung selbst zu behalten – und sie weder an Assad noch an die Vereinigten Staaten oder Frankreich abzutreten.
Am 26. April konnte ich dem Sicherheitsrat berichten, dass Syrien am selben Tag schriftlich seinen Rückzug aus dem Libanon bestätigt habe. Ich entsandte ein technisches Team, um diese Meldung zu prüfen. Es stellte fest, dass keine Geheimdienstpräsenz mehr zu bemerken sei, konnte aber nicht vorbehaltlos bestätigen, dass der gesamte Geheimdienstapparat abgezogen worden war. Das Team musste später erneut in den Libanon
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