Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
(das hieß syrischen) Truppen sowie die Auflösung und Entwaffnung aller libanesischen (Hisbollah) und nichtlibanesischen (palästinensischen) Milizen.
Im Lauf der Zeit wurde die Resolution 1559 zu einer der umstrittensten UN -Interventionen im Nahen Osten. Laut ihren Befürwortern enthielt sie die unverwirklichten Klauseln des Abkommens von Taif und brach eine Lanze für einen in Bedrängnis befindlichen Libanon; sicherlich gab es progressive Kräfte im Land, die die Intervention des Sicherheitsrats begrüßten. Andererseits stand die aggressive Haltung des Sicherheitsrats zur syrischen Präsenz im Libanon in krassem Gegensatz zu seiner Passivität in Bezug auf die israelische Besetzung arabischer Gebiete. Ich mahnte öffentlich immer wieder, dass der Eindruck, wir würden im Nahen Osten mit zweierlei Maß messen, die Stellung der Vereinten Nationen untergrabe. Wichtiger war jedoch, dass der Libanon, wie ein politischer Beobachter es damals ausdrückte, »ein zu dünnes Schilfrohr« war, »um darauf eine Konfrontationsstrategie [gegenüber Syrien] aufzubauen«.
In meinem ersten Bericht an den Sicherheitsrat über die Resolution 1559 stellte ich fest, dass bislang keine konkreten Schritte unternommen worden seien, aber dass sowohl die libanesische als auch die syrische Regierung trotz ihrer Ablehnung der Resolution erklärt hätten, sie würden sie aus Achtung vor dem Sicherheitsrat »nicht anfechten«. Der Widerspruch kam von der Straße, und der Libanon wurde bald von einer Welle von Bombenanschlägen erfasst, die sich gegen antisyrische Angehörige der politischen Elite richtete. Am selben Tag, als ich meinen Bericht über die Resolution veröffentlichte, entging Marwan Hamade, ein politischer Verbündeter Hariris, nur knapp dem Tod, als neben seinem Auto eine Bombe explodierte.
Das eigentliche Erdbeben erfolgte am 14. Februar 2005, als Hariri selbst in Beirut durch eine massive Explosion getötet wurde. Ich hörte die Nachricht am frühen Morgen in meiner New Yorker Residenz und war entsetzt über die schiere Dreistigkeit des Anschlags. Der unmittelbare Hintergrund war erschütternd. Mein Sonderbeauftragter war zwei Tage zuvor von einer Mission in der Region zurückgekehrt, wo er erfolglos versucht hatte, die Spannungen zwischen Assad und Hariri zu verringern.
Auf Ersuchen des Sicherheitsrats bat ich Peter Fitzgerald – einen kompetenten, hochrangigen irischen Polizeibeamten mit Erfahrungen aus früheren UN -Friedensmissionen –, eine Untersuchung des Mordes zu leiten. Sein Bericht enthielt einen dramatischen Absatz, in dem erzählt wurde, wie der syrische Präsident Hariri vor der Verlängerung von Lahouds Amtszeit in Damaskus persönlich gedroht hatte. Bei einem Treffen, das keine zehn Minuten dauerte, hatte er erklärt, er würde eher »den Libanon über den Köpfen von Hariri und [Drusenführer Walid] Dschumblat zerbrechen, als zuzusehen, wie im Libanon sein Wort gebrochen« werde. Als ich Assad zwei Tage vor der förmlichen Übergabe des Berichts in Algier begegnete, machte ich ihn darauf aufmerksam, dass seine Drohung in dem Bericht enthalten sein könnte. Assad bestritt die Drohung, aber er versuchte auch nicht, den Bericht abändern zu lassen. Nachdem ich den Bericht dem Sicherheitsrat vorgelegt hatte, forderten die Syrer mich auf, den inkriminierenden Absatz zu überarbeiten, aber ich ließ ihn, wie er war.
Fitzgerald empfahl in seinem Bericht, eine unabhängige internationale Untersuchung durchzuführen, um die Wahrheit ans Tageslicht zu fördern. Der Sicherheitsrat bildete daraufhin eine Untersuchungskommission, die im Oktober 2005 ein Zwischenergebnis vorlegte, dem zufolge das Verbrechen »von einer Gruppe mit einer umfangreichen Organisation und beachtlichen Ressourcen und Fähigkeiten ausgeführt« worden war. Es sei nahezu unvorstellbar, hieß es weiter, dass der Anschlag ohne Wissen der Geheimdienste Syriens und des Libanon, die eng zusammenarbeiteten, verübt worden sein könnte.
Während ich dies schreibe, sechs Jahre später, ist immer noch nicht geklärt, wer für die Morde an Hariri und über einem Dutzend anderer, die damals getötet wurden, verantwortlich ist. Als ich nach meinem Ausscheiden aus dem Amt in Paris an einer Gedenkveranstaltung für Hariri teilnahm, wurde mir schmerzhaft bewusst, dass ich nicht in der Lage gewesen war, die Akte zu schließen. Außerdem stehe ich mit seiner Witwe in regelmäßigem Kontakt. Während der Untersuchung durch die UNO wurden mehrere Personen
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