Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
die Israelis im Gazastreifen zurückließen, durch Palästinenser ermöglichte – für diesen Zweck spendete er sogar eigenes Geld. Doch in letzter Minute übernahmen die Amerikaner das Ruder und verlagerten das Schwergewicht des Prozesses zugunsten Israels. Wieder einmal wurde ich Zeuge der ungesunden, besitzergreifenden Art, mit der Washington sich das letzte Wort im arabisch-israelischen Friedensprozess vorbehielt, sowie des Widerstrebens der Amerikaner, anderen darin eine bedeutende Rolle zuzugestehen, selbst wenn sie dieselben Ziele anstreben wie sie.
Schließlich sollten jedoch die Palästinenser selbst durch ihre Entscheidung an der Wahlurne die Situation zusätzlich verkomplizieren.
Die Hamas und das Nahostquartett
Nur wenige Schritte der Nahostdiplomatie der Vereinten Nationen sind umstrittener gewesen als meine Zustimmung zu einer Position des Nahostquartetts im Jahr 2006, welche die neugewählte palästinensische Regierung unter Führung der Hamas praktisch isolierte. Im September 2005 hatte das Quartett bei einem Treffen in meinem Konferenzraum in New York die Teilnahme der Hamas an den palästinensischen Wahlen befürwortet. Wir stimmten darin überein, dass einer Miliz als Gruppe grundsätzlich nicht gestattet werden sollte, an Wahlen teilzunehmen, unterstützten aber Präsident Abbas’ Herangehensweise an das Problem. Er wollte die Milizen abschaffen, und sein Slogan lautete: »Eine Autorität, ein Gesetz, ein Gewehr«. Wie er uns erklärte, konnte er die Hamas nicht zwangsweise entwaffnen; stattdessen wollte er politisch vorgehen, durch den Parlamentseinzug der Hamas, die sich dann, an die von der Mehrheit beschlossenen Gesetze gebunden, den Widersprüchen ihrer eigenen Position würde stellen müssen.
Aber die Hamas machte Abbas einen Strich durch die Rechnung, indem sie die Wahl am 25. Januar 2006 gewann und selbst die Mehrheit stellte. Sie würde also eine Regierung bilden und die Verantwortung nicht nur für die öffentliche Sicherheit, sondern auch für die palästinensischen Sicherheitskräfte übernehmen. Ich erklärte öffentlich, dass wir mit der rechtmäßig gewählten palästinensischen Regierung zusammenarbeiten würden. Doch für Washington war das Wahlergebnis schwer zu schlucken. Im September hatte Außenministerin Rice zugestanden, dass die Palästinenser einen gewissen Spielraum brauchten, um ihre Politik zu gestalten. Nach dem Wahlsieg der Hamas schien sie jedoch jeden Spielraum ausschließen zu wollen, wie ich feststellte, als wir uns fünf Tage nach der Wahl in London trafen.
Ihre Stimmung besserte sich auch nicht, als Jimmy Carter, dessen Carter Center die Wahl beobachtet hatte, dem Nahostquartett berichtete, dass sie auf geradezu bewundernswerte Weise frei und fair verlaufen sei – und dann die Politik der USA und Israels kritisierte. Ich dankte Carter und geleitete ihn aus dem Raum, so dass das Quartett unter sich weiterdiskutieren konnte, und wurde, als ich zurückkehrte, von Rice mit einem frostigen Blick empfangen. Immerhin war ich derjenige, der Carter aufgefordert hatte, uns als Erste ins Bild zu setzen.
Die Hamas stand für abscheuliche Dinge und hatte in der Vergangenheit viele Gräueltaten begangen. Israel betrachtete sie als Todfeind, und viele gemäßigte Palästinenser fragten sich besorgt, wie sich die Regierung einer ungeläuterten Hamas auf ihre Gesellschaft auswirken würde. Doch die Hamas hatte sich dafür entschieden, sich am demokratischen politischen Prozess zu beteiligen, und zur Überraschung vieler hatten die Palästinenser ihr die Regierungsverantwortung anvertraut. Freilich war das nach meiner Ansicht eher auf das Scheitern der Fatah und des Friedensprozesses zurückzuführen als auf die massenhafte Zustimmung zu einer islamistisch geprägten Politik und zur Vernichtung Israels, dem erklärten Ziel der Hamas. Manche glaubten Signale zu vernehmen, mit denen die Hamas ihre Bereitschaft zu einer grundlegenden Transformation bekundete; andere waren überzeugt, dass sie lediglich taktische Vorteile anstrebte, ohne ihre strategischen Ziele zu ändern.
Die Amerikaner wollten das Nahostquartett auf eine Haltung festlegen, nach der die palästinensische Regierung keinerlei finanzielle Unterstützung mehr erhalten sollte, wenn sich die Hamas nicht zur Einhaltung dreier Prinzipien verpflichtete: der Abkehr von der Gewalt, der Anerkennung Israels und der Bekräftigung aller bisher eingegangenen Verpflichtungen. Ich war bereit, Maßregeln für die Hamas zu
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