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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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erklärte ich gegenüber der Presse, ich sei überrascht und enttäuscht, dass mein Sohn nicht völlig klargestellt habe, in welcher Beziehung er zu dem Unternehmen stehe.
    Die Angriffe auf die UNO und mich persönlich nahmen zu. Anfang November, wenige Wochen, bevor US -Senator Norm Coleman aus Minnesota in einem Gastkommentar im Wall Street Journal meinen Rücktritt forderte, entschloss sich mein treuer, couragierter Freund Richard Holbrooke, zu intervenieren. Da er Washington kannte, wusste er, wohin dies alles führen würde, und lud mich zu einem Treffen am Sonntag, dem 5. Dezember, in seine New Yorker Wohnung am Central Park ein. Ich solle allein kommen, ohne Assistenten, sagte er. Er werde eine Runde von engen, vertrauten Freunden versammeln, die mir nichts als Erfolg wünschten, aber auch bereit seien, offen und ehrlich über die Herausforderung und die notwendigen entschiedenen Schritte zu sprechen. Er hatte recht, es war eine handverlesene Gruppe, die bei ihm zusammentraf: Timothy Wirth, der Präsident der United Nations Foundation; Les Gelb, ehemaliger Präsident des Council on Foreign Relations; und meine früheren Berater John Ruggie und Nader Mousavizadeh, die jetzt in Harvard beziehungsweise bei Goldman Sachs waren. Richard selbst übernahm die Doppelrolle von Dirigent und Solist, indem er einerseits die schwierigsten Fragen zur Sprache brachte, uns andererseits aber stets auch einen Lösungsansatz präsentierte.
    Gelb bereitete die Bühne. Er komme gerade aus Washington, berichtete er, wo er mit hochrangigen Regierungsvertretern gesprochen habe. »Man wird Sie nicht schubsen«, resümierte er seinen Eindruck, »aber wenn Sie stolpern, wird man Sie auch nicht auffangen.«
    In den folgenden vier Stunden hörte ich zumeist nur zu, während meine Freunde mir Dinge ins Gesicht sagten, die sie andernfalls vielleicht für sich behalten hätten, von denen sie jetzt aber fanden, dass sie ausgesprochen werden mussten. Ich füllte ein Dutzend Seiten eines gelben Notizblocks mit häufig erfrischenden Bemerkungen über die Notwendigkeit, sich dem Sperrfeuer der Vorwürfe zu stellen – und zwar sowohl durch öffentliche Reaktionen als auch in der Substanz. Wenn wir uns nicht mit einigen der im Zusammenhang mit dem Öl-für-Lebensmittel-Programm aufgeworfenen Grundsatzfragen über das Management und die Verantwortlichkeiten innerhalb wie außerhalb der UNO beschäftigten, würde man uns nicht abnehmen, dass wir wirklich ein neues Kapitel aufschlagen wollten. Und wenn wir keine bessere Art fänden, auf die Medienangriffe zu antworten, würden wir den unablässigen Lärm der Nachrichtenmaschine, die sich von Gerüchten, Vorwürfen und Spekulationen nährte, niemals übertönen können. Ich verließ Richards Wohnung mit der Einsicht, dass auf allen Organisationsebenen Veränderungen nötig waren und die Transparenz unseres Handelns notwendiger war denn je.
    In der folgenden Woche versicherte mich eine ganze Reihe von Staatsmännern ihrer Unterstützung: Colin Powell, Rafik Hariri, Nelson Mandela, Olesegun Obasanjo und Thabo Mbeki, Paul Martin, Madeleine Albright und Jimmy Carter, Javier Solana und Tony Blair – sie alle bekräftigten ihre Freundschaft und drückten mir ihr Mitgefühl aus. Chirac, Schröder und Zapatero riefen gemeinsam von einer Konferenz an, um mir Mut zuzusprechen. Und mein Freund Jim Wolfensohn, der Präsident der Weltbank, lud Nane und mich in seiner unnachahmlichen australischen Großzügigkeit ein, die Weihnachtsferien in seinem Haus in Wyoming zu verbringen. Das war seine Art zu sagen: »Zur Hölle mit allen!« Auch der chinesische Außenminister meldete sich bei mir. »China und das chinesische Volk«, erklärte er, »werden immer Ihre guten Freunde sein, und die chinesische Regierung schätzt, was Sie tun, aufs Höchste.« Er schloss das Gespräch mit den vielsagenden Worten: »Wir unterstützen Ihre Anstrengungen, die Souveränität der UN zu schützen und zu verteidigen.«
    Gewiss hätte der Sicherheitsrat uns die Aufgabe, das Öl-für-Lebensmittel-Programm zu managen, nie übertragen sollen. Und wir hätten sie nie übernehmen dürfen. Aber dabei kann man es nicht einfach belassen. Sobald wir an der Mission beteiligt waren, hatten wir – wie bei jeder anderen Mission, die uns in einem Konfliktfall oder in von Armut zerrütteten Ländern anvertraut wird – die Verpflichtung, sie kompetent und gewissenhaft durchzuführen. In dieser Hinsicht hatten wir aufgrund einer schwachen und lockeren

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