Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Leben unter Toten

Ein Leben unter Toten

Titel: Ein Leben unter Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
laut. »Gestern gestorben, heute aus dem Grab zurück! Sei willkommen, Diana!« Sie klatschte dabei in die Hände, doch niemand folgte dieser Geste.
    Sarah Goldwyn warf dieser Frau einen scharfen Blick zu. Die Wiser duckte sich zusammen, sie wollte die Hände noch einmal gegeneinander schlagen, doch der Blick hatte gereicht, um sie in der Bewegung erstarren zu lassen.
    Die Hälfte der Strecke hatte Sarah Goldwyn bereits hinter sich gebracht. Sie konnte ihre ehemalige Freundin nun besser erkennen und entdeckte auch die Dreckkrumen in ihren Haaren. Sie klebten darin wie Würmer, und diese hatten sich ebenfalls in den langen Strähnen festgesetzt, wobei sie sich in ständiger Bewegung befanden.
    Niemand hinderte die Horror-Oma daran, sich weiter auf Diana Coleman zuzubewegen. Selbst Edith Wiser hielt den Mund. Wie auch die anderen merkte sie ebenfalls, daß sich so etwas wie eine Entscheidung anbahnte und es eine Lösung eigentlich nur zwischen den beiden Frauen geben konnte. Wenigstens eine vorläufige.
    Und so ließen sie die Fremde immer näher herangehen. Lady Sarah passierte die ersten Grabsteine, sie schritt über die Gräser hinweg ihre Füße versanken im feuchten Erdreich, manchmal raschelte noch Laub vom vergangenen Herbst unter ihren Sohlen, und über dem Friedhof lag eine Stille, die schon als unheimlich bezeichnet werden konnte. Selbst die Brandung schien nicht mehr so wuchtig gegen die Felsen zu schlagen, ihr Rauschen drang gedämpfter zu den Frauen hoch. Bisher hatte sich einzig und allein Lady Sarah bewegt. Das änderte sich nun, denn auch die Untote wollte nicht länger auf den normalen Menschen warten. Sie ging ebenfalls vor.
    Waren die Schritte der Horror-Oma schon als steif zu bezeichnen, so konnte man die der Untoten mit der einer Gliederpuppe vergleichen, die ein nicht sichtbarer Kontrolleur fernsteuerte.
    Da merkte man es besonders stark, daß sie kein normaler Mensch war, sondern ein Wesen, das nur noch einen Körper, aber keine Seele mehr besaß. Deutlich erkannte die Horror-Oma ihr Gesicht. Bleich war die Haut. Eingefallen an den Wangen und blutleer die schmalen Lippen. Sie sank bei jedem Schritt in das weiche Erdreich ein und hatte jedesmal Mühe, ihr Bein wieder aus der Masse hervorzuziehen.
    Lady Sarah blieb stehen. Sie wollte einen Versuch starten und hoffte auch auf einen Erfolg.
    Sie sprach ihre ehemalige Freundin an. »Diana, ich bin es! Hörst du mich? Erkennst du mich?«
    Durch das Gesicht der Untoten lief ein Zucken. Eine andere Regung war nicht festzustellen.
    Lady Sarah atmete tief ein. Noch einmal probierte sie es. »Du mußt mich hören«, sagte sie mit eindringlicher Stimme. »Du mußt. Oder verstehst du mich nicht?« Lady Sarah war wieder stehengeblieben und breitete bittend Arme und Hände aus.
    Auch sie war inzwischen vom bunten Schein der Lampions erfaßt worden. Ihr Körper hatte ein farbiges Muster bekommen, das sich änderte, wenn die Schatten anfingen zu wandern.
    Diana bewegte den Kiefer. Es sah schrecklich aus, als sie den Mund aufklappte. Im ersten Moment glaubte Lady Sarah, daß ihre ehemalige Freundin anfangen wollte zu reden, dann schüttelte sie den Kopf, und allmählich breitete sich in ihrem Innern eine große Depression aus. Nein, da war nichts zu machen. Vor ihr stand eine andere Diana Coleman, eine Untote, eine lebende Leiche, die auf ihr vorheriges Dasein keine Rücksicht nehmen würde und es wahrscheinlich auch gar nicht mehr konnte oder sich daran erinnerte.
    »Sarah!« Es war Carolas Schrei, der da aufgellte. »Kommen Sie zurück! Wir müssen weg…«
    Die Horror-Oma antwortete nicht. Ihre Arme zog sie langsam wieder zurück und schüttelte dabei den Kopf, während die Augen feucht wurden. Sie konnte es einfach nicht fassen, die Freundin als Zombie zu sehen. »Den… den Brief«, hauchte sie mit tränenerstickter Stimme. »Du hast mir doch den Brief geschrieben. Ich bin gekommen. Du mußt mich erkennen, Diana. Du kannst nicht…«
    Es hatte keinen Sinn. Man konnte das Wesen ansprechen, doch man erlebte keine Reaktion.
    Der Mund klappte wieder zu. Irgendwie empfand Lady Sarah dies als Startzeichen. Die Untote schien einen Entschluß gefaßt zu haben, und ihr magerer Körper streckte sich.
    Sie ging vor.
    Lady Sarah aber blieb stehen. Von dem Schritt war sie überrascht worden, und ihr Blick saugte sich an den Händen der lebenden Leiche fest. Die Finger waren lang und dünn. Im Licht der schaukelnden Lampions wirkten sie wie farbige Spinnenbeine, und sie

Weitere Kostenlose Bücher