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Ein Leben unter Toten

Ein Leben unter Toten

Titel: Ein Leben unter Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Angst.
    Lady Sarah lächelte. »Keine Bange«, sagte sie leise, »das überstehen wir auch.« Sie schluckte ein paarmal. »Versprechen Sie mir, nicht zu schreien, Carola?«
    Ein Nicken bewies Lady Sarah, daß die Frau verstanden hatte, und die Horror-Oma löste ihre Hand von den Lippen, wobei sie ihre Bekannte jedoch im Auge behielt. Danach fand sie wieder Zeit, den Kopf zu drehen und dorthin zu schauen, wo die Untote aus ihrem frischen Grab gestiegen war.
    Noch stand sie auf der weichen Erde. Eine unheimliche, schwankende Gestalt im gelblich schimmernden Leichenhemd. Es wurde hin und wieder von einem bunten Schleier bedeckt, wofür die Lampions verantwortlich waren.
    Sehr langsam hob die lebende Frauenleiche ihre Arme. Als würden sie von Fäden gezogen, und sie blieben auch in der Waagerechten, wobei sie die dicht nebeneinander liegenden Finger aussheckte, als wollte sie versuchen, irgendein Hindernis zu ertasten.
    »Dianaaa!«
    Jemand schrie den Namen. Es war keine andere als Edith Wiser, die sich aus der Gruppe der Tanzenden löste, neben einem Grabstein stehenblieb und sich dort abstützte.
    Der Ruf war von allen Frauen gehört worden. Das Singen verstummte schlagartig. Obwohl die Musik weiterspielte, kam es Lady Sarah vor, als läge eine seltsame Stille über dem alten Friedhof. Etwas Unheimliches war geschehen, und dieser Vorgang mußte erst von den Menschen begriffen werden.
    Dann klang auch die Musik aus. Das Band war abgelaufen. Ein Lied stoppte mit einem Jaulen.
    Stille…
    Unheimlich, fast zum Greifen. Nur der Wind rauschte jetzt. Er spielte mit den Blättern, ließ sie rascheln, und es hörte sich an wie eine geflüsterte Todesmelodie.
    Die Wiser begann zu lachen. Ein schrilles, sirenenartiges Geräusch, das bis hinüber zu den Klippen wehte und dort allmählich verklang und auch vom Tosen der Brandung verschluckt wurde. Auch Carola konnte nicht mehr schweigen. Sie mußte einfach etwas sagen. Zum Glück sehr leise, so daß nur Lady Sarah Goldwyn ihre Worte verstehen konnte.
    »Sie ist von den Toten auferstanden. Sie ist zurückgekehrt. Als lebende Leiche, wo gibt es so etwas…« Ihre Stimme begann zu zittern.
    »Bleiben Sie ruhig«, sagte Sarah Goldwyn. »Machen Sie um Himmels willen kein Theater…«
    »Aber…«
    Die Horror-Oma legte der neuen Bekannten eine Hand auf die Schulter und schob sie gleichzeitig zur Seite. »Ich werde den Platz hier verlassen. Tun Sie nichts. Und wenn es tatsächlich hart auf hart kommen sollte, dann fliehen Sie, rennen Sie weg so schnell Sie können…!«
    »Was haben Sie denn vor?«
    »Ich weiß es noch nicht!«
    Das waren vorerst die letzten Worte, die Sarah Goldwyn mit Carola Finley wechselte. Sie hatte inzwischen den Rand der Tischreihe erreicht, drückte sich an der Schmalseite vorbei und ging langsam auf die lebende Tote zu. In der rechten Hand hielt sie ihren Stock Damit konnte sie sich wehren.
    Die anderen Frauen waren zu Salzsäulen erstarrt. Was sie dachten, wußte keiner. Vielleicht nichts, denn der Alkohol hatte einen Nebel um ihre Gehirne gelegt.
    Sie standen einfach nur da.
    Lady Sarah wußte nicht, ob Diana Coleman sie noch erkannte. Als Untote reagiert man anders. Da hatte man keine Seele mehr und gehorchte nur den allerniedrigsten Instinkten, wozu auch Mord und Vernichtung zu zählen waren.
    Die Horror-Oma hätte gelogen, wenn sie die Frage nach ihrer Angst verneint hätte. Sie hatte Angst, und zwar große, denn sie war völlig auf sich allein gestellt. Von keiner Seite bekam sie Hilfe. Sie hoffte nur, daß ihre Handlungen mit dazu beitrugen, die anderen Menschen auf dem Friedhof anzuspornen. Wenn ihr das gelang war schon vieles gerettet. Deshalb riß sie sich zusammen und schritt auf direktem Wege der lebenden Leiche entgegen.
    Hin und wieder schielte sie zur Seite. Sie wollte auch die anderen Frauen sehen.
    Die merkten inzwischen, daß sich einiges verändert hatte. Auf ihren Gesichtern lag ein gewisser Zug des Durchblicks, des Erkennens, und der Alkohol schien ihre Gedanken nicht mehr so stark zu bremsen. In ihrer Sommerkleidung sahen sie wie alte Puppen aus, die jemand noch einmal aufgezogen hatte und deren Uhrwerk allmählich ablief. Einige standen noch in der Tanzhaltung als warteten sie darauf, daß die Musik weiterspielte, wieder andere breiteten ihre Arme aus und stützen sich auf den hohen Grabsteinen ab.
    Die nächsten glichen zu Eis erstarrten Menschen, und nur Edith Wiser bewegte sich außer Lady Sarah noch.
    »Unser Ehrengast!« rief sie

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