Ein letztes Mal...
Ihr Herz schlug schneller. Oder Moment … Das waren näher kommende Schritte – natürlich die von Sebastian. Er ließ sie nicht so ohne Weiteres gehen. Wie seltsam, obwohl er sich nie um etwas stritt, gewann er immer.
Sebastian drückte für sie auf den Fahrstuhlknopf und schaute sie dann mit seinem durchdringenden Anwaltsblick an. Gütiger Himmel, sie wollte auf keinen Fall mit ihm in diesem engen Lift fahren und dabei an ihre letzte gemeinsame Fahrt erinnert werden.
„Äh, danke, Sebastian, aber ich laufe lieber.“
Sie drehte sich zu schnell um, und die Welt um sie herum verengte sich plötzlich, so, als würde man den Fokus einer Linse enger stellen. Ihre Knie gaben nach, und alles, was sie bei ihrem Sturz noch wahrnahm, waren die Slipper von Ferragamo, die sie Sebastian letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte.
„Wir sollten den Notarzt rufen“, erklärte Sebastians Stiefvater zum dritten Mal, und das klang genau so bestimmt, wie man es von einem Drei-Sterne-General erwarten würde.
Sebastian war der gleichen Meinung. Aber die junge Ärztin – im Gericht, um bei einem Prozess als Zeugin auszusagen – schien der Ansicht zu sein, dass sieben Minuten und einundvierzig Sekunden Bewusstlosigkeit noch kein Grund zur Sorge waren. Dr. Cohen saß auf der Sofakante und maß mithilfe ihrer Armbanduhr Mariannas Puls.
Nachdem Marianna ihm plötzlich vor die Füße gestürzt war, hatte Sebastian sie auf die Arme gehoben und in einen angrenzenden Konferenzraum getragen. Er hatte sie auf ein Sofa gelegt, ihr die Schuhe ausgezogen und ihre pinkfarbene Jacke geöffnet, während seine Mutter besorgt neben ihm stand und der General Hilfe holte, eben Dr. Cohen.
Obwohl er seine Familie gebeten hatte, nicht ins Gericht zu kommen, waren sie trotzdem alle erschienen. Und letztendlich war das gut so.
Zwei seiner Brüder standen mit seiner Mutter und dem General in einer Ecke des Raums. Abwartend. Sebastian hasste Untätigkeit, mit ein Grund, warum er seinen Job so liebte. Als Anwalt gab es immer etwas zu tun, eine Möglichkeit, aktiv zu werden und die Kontrolle zu übernehmen.
Warum machte Marianna nicht die Augen auf? Und wie oft würde diese junge Ärztin noch ihren Puls auszählen? Er hatte zwar gefragt, wie lange sie schon als Ärztin arbeitete, ehe sie anfing, Marianna zu untersuchen. Aber Dr. Cohen würde wohl damit leben müssen, dass sie doch noch den Notarzt riefen, falls seine Exfrau nicht in den nächsten zehn Sekunden wieder zu sich kam.
Sebastian hockte sich neben das Sofa und ergriff Mariannas andere Hand, die sich viel zu kühl und schlaff anfühlte. „Ich bringe sie jetzt ins Krankenhaus. Wenn sie auf dem Weg dorthin aufwacht, wunderbar. Und wenn nicht …“ Was konnte bloß mit ihr los sein? „… dann ist sie umso schneller dort.“
Die Ärztin stand auf und nahm ihre Brille ab, die ihr nun an einer goldenen Kette um den Hals hing. „Das ist natürlich ganz Ihre Entscheidung, als ihr Ehemann.“
Ehemann? Wenn das kein deutlicher Hinweis darauf war, dass er das von Rechts wegen eben nicht mehr war. Aber er hatte nicht die Absicht, die Ärztin zu korrigieren und den schwachen Einfluss, den er momentan auf Mariannas medizinische Versorgung hatte, aufzugeben. Er warf seiner sprachlosen Familie einen Blick zu, der besagen sollte, dass sie bitte alle den Mund halten sollten.
Leises Stöhnen lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Marianna. Ihre Augenlider flatterten, und er drückte ihr die Hand.
„Marianna? Komm schon, wach auf. Du machst uns allen hier Angst.“
„Sebastian?“ Sie stützte sich auf einen Ellbogen, um sich umzuschauen, und rieb sich dabei mit zwei Fingern die Schläfe. Sie blinzelte mehrmals, als ihr Blick durch den kleinen Raum glitt, in dem nichts weiter war als ein Konferenztisch, ein paar Drehstühle, das Sofa und besorgte Familienmitglieder. „Was ist passiert?“
„Du bist auf dem Korridor ohnmächtig geworden. Erinnerst du dich nicht?“ Wenn es einen Tag gab, der es wert war, vergessen zu werden, dann dieser.
Sie sank zurück aufs Sofa, und der Rock ihres pinkfarbenen Kostüms rutschte etwas hoch. „Ach ja, das Gericht, deine Ferragamo-Schuhe.“
Sebastian hatte keine Ahnung, was zum Teufel seine Schuhe mit alldem zu tun hatten, aber wenigstens erfasste Marianna, was es mit dem heutigen Tag auf sich hatte.
Seine Mutter schob ihn beiseite und legte Marianna ein feuchtes Taschentuch auf die Stirn. „Hier, meine Liebe, bleib einfach liegen, bis du dich ein
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