Ein Liebhaber wie Tony
Fertiggerichte â Spaghetti, Ravioli und Lasagne â standen zur Auswahl.
»Grandma würde einen Herzanfall bekommen, wenn sie wüsste, dass du uns mit diesem Zeug fütterst«, bemerkte Brian, während sie die Teller aus dem Schrank holte.
»Was sie nicht weiÃ, macht sie nicht heië, antwortete Sharon gereizt, nahm das Silberbesteck und deckte den Tisch.
Im Kühlschrank entdeckte sie verschiedene Gemüse, Tomaten und Gurken und machte sich daran, Salat zuzubereiten. Dabei beruhigte sie sich wieder.
Nach dem Essen räumten Sharon und Brian das Geschirr in die moderne Spülmaschine und lieÃen alle Spuren von Fertiggerichten im Müllschlucker verschwinden. Danach sprach sie mit den Kindern über die Schule.
Der Sommer war fast vorbei, und der erste Schultag rückte immer näher. Marc würde dann die zweite Klasse und Brian die siebente besuchen.
»Wollen wir morgen die Schulsachen einkaufen gehen?«, fragte Sharon. Helen, die einzige Angestellte, die sie sich im »Traumland« leisten konnte, würde allein im Laden zurechtkommen.
»Das haben wir schon mit Grandma gemacht«, erwiderte Marc und handelte sich damit einen bösen Blick ein. Offensichtlich hatte er ein Geheimnis verraten.
Sharon war verletzt. Seit Wochen freute sie sich auf diesen Ausflug. Es war jedes Jahr das gleiche Ritual: Sie fuhren zu einer der groÃen FuÃgängerzonen von Seattle, aÃen nach dem Einkauf in einem Restaurant, und abends gingen sie ins Kino.
Sharon setzte sich an den Tisch, der in der Mitte der Küche stand, und fragte scharf: »Wann war das?«
Marc sah sie verwundert an. Seit der Scheidung tat er das öfter, weil er vieles nicht mehr verstand.
»Letztes Wochenende«, antwortete Briana. Ihre Miene drückte Bedauern aus, passte eher zu einer Erwachsenen als zu einem zwölfjährigen Mädchen. »Grandma meinte, dass du zurzeit stark beansprucht bist.«
»Stark beansprucht?«, wiederholte Sharon und erhob sich langsam von der Küchenbank.
»Mit dem Laden und so weiter«, erklärte Briana.
»Die Steuer müsstest du auch bezahlen«, sagte Marc.
»Und die Rechnungen der Sachen, die du auf Kredit gekauft hast«, fügte Brian hinzu.
Sharon sank zurück auf die Bank.
»Ich brauche euch beide nicht, um zu wissen, was ich in den letzten zwei Monaten gemacht habe.« Sie wusste, dass sie überreagierte, aber die Enttäuschung und der Zorn waren so groÃ, dass sie am liebsten losgeheult hätte.
Später saÃen die Kinder vorm Fernseher, und Sharon ging nach kurzer Ãberlegung hinüber zum Wandtelefon und wählte Tonys Nummer. Nach dem dritten Klingeln nahm er ab.
Das lieà Sharons Wut ein wenig verfliegen. Wenigstens hatte er keine Verabredung, sondern war zu Hause.
»Hier ist Sharon. Bevor du in Panik gerätst, will ich dir gleich sagen, dass dies kein Notruf ist.«
»Gut, und weshalb rufst du dann an?« Tony klang beschäftigt.
Sharon hörte im Hintergrund etwas brutzeln. Sie sah ihn so lebhaft vor sich, wie er kochte, als würde sie neben ihm in seiner kleinen, praktisch eingerichteten Küche stehen. Zumindest dachte Sharon, dass die Küche seiner Eigentumswohnung klein und praktisch war, denn gesehen hatte sie sie noch nie.
Sharon biss sich auf die Unterlippe, um die Tränen zu verdrängen, und konnte einen Moment lang nicht sprechen. SchlieÃlich jedoch begann sie: »Du findest es vielleicht albern, aber das ist mir egal. Tony, ich wollte selber mit den Kindern die Einkäufe für die Schule machen. So, wie ich es immer getan habe. Es wäre wichtig für mich gewesen.«
Nach einer kurzen Pause erwiderte Tony gelassen: »Mama wollte dir nur einen Gefallen tun.«
Die liebe Mama mit ihrem Wald von Fotografien auf dem Fernseher. Fotos von Tony und Carmen natürlich! Sharon hangelte geschickt mit dem Fuà nach einem Stuhl und setzte sich.
»Tony, ich bin doch nicht unfähig!« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Das hat auch niemand behauptet«, erwiderte er schnell.
Eigentlich lag weder in seinen Worten noch in seinem Tonfall irgendetwas, das Sharon zusätzlich hätte verärgern können. Dennoch schwelte die Wut in ihr nun so sehr, dass sie sich wie gelähmt fühlte.
»Warum sprichst du denn nicht weiter, Sharon?« Tony klang jetzt ziemlich besorgt.
Sie musste jetzt etwas sagen, sonst würde er
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