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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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geliebt habe, und die Frau, ohne die ich nicht mehr leben kann. Ich weiß, was Vanessa will, was sie von mir erwartet. Immer wieder habe ich gesagt, dass ich sie nicht verlassen will, doch jetzt habe ich die Möglichkeit, das auch zu beweisen. Dafür muss ich nur eines tun: Ich muss Max sagen, dass Vanessa und ich ein Paar sind.
    Warum nur gelingt mir das nicht?
    Vanessa starrt mich an und presst die Lippen aufeinander. »Ich werde dann mal das Obst holen«, sagt sie, doch als sie geht, spüre ich, wie etwas in meiner Brust zerreißt.
    Max’ Freund erscheint, ein Klon im gleichen Anzug. Sein Adamsapfel hüpft auf und ab. Ich murmele ein Hallo, versuche aber über seine Schulter hinweg zur Obsttheke zu blicken, wo Vanessa mir den Rücken zugekehrt hat. Dann höre ich, wie Max mich in seine Kirche einlädt.
    Träum weiter , denke ich im Stillen und stelle mir vor, wie ich mit Vanessa vor einer homophoben Gruppe Händchen halte. Vermutlich würde man uns teeren und federn. Ich murmele eine Antwort und verschwinde dann in Vanessas Richtung.
    »Du bist sauer auf mich«, stelle ich fest.
    Vanessa prüft gerade ein paar Mangos. »Nicht sauer, nur enttäuscht.« Sie schaut mich an. »Warum hast du es ihm nicht gesagt?«
    »Warum hätte ich das tun sollen? Außer uns beide geht das niemanden etwas an. Ich habe gerade Max’ Freund kennengelernt, und der hat auch nicht als Erstes gesagt: Und übrigens, ich bin heterosexuell .«
    Vanessa legt die Mango wieder weg. »Ich bin bestimmt niemand, der am Christopher Street Day mit einem Plakat durch die Straßen rennt«, sagt Vanessa, »und ich weiß, dass es nie leicht ist, jemandem, den man mal geliebt hat, zu sagen, dass man jetzt mit jemand anderem zusammen ist. Aber wenn man es nicht laut ausspricht, dann füllen die Menschen das Schweigen mit ihren eigenen dummen Vermutungen. Glaubst du nicht, dass Max es sich demnächst zweimal überlegen würde, bevor er gegen Homosexuelle lospoltert, wenn er wüsste, dass du in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebst? Denn dann sind ›Homos‹ nicht mehr anonym, sondern er kennt eine.« Sie wendet sich von mir ab. »Und da wäre auch noch ich. Wenn ich sehe, wie du dir alle Mühe gibst, nicht zu sagen, dass ich deine Lebensgefährtin bin, dann muss ich doch annehmen, dass du mich belügst – egal was du sonst auch denkst oder tust. Ich habe immer wieder das Gefühl, dass du dir noch eine Fluchtmöglichkeit offenhalten willst.«
    »Das ist nicht der Grund, warum …«
    »Was dann? Schämst du dich für mich?«, fragt Vanessa. »Oder schämst du dich für dich selbst?«
    Ich stehe vor den Erdbeerkisten. Ich hatte mal eine Patientin, die als Botanikerin gearbeitet hat, bevor sie mit Gebärmutterkrebs im Endstadium ins Hospiz gekommen ist. Sie konnte keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen und hat mir erzählt, dass sie vor allem Erdbeeren vermisse. Erdbeeren, so erklärte sie mir, seien die einzige Frucht auf der Welt, die den Samen außen trägt, und deshalb seien sie auch nicht wirklich Beeren. Sie gehören zur Familie der Rosen, auch wenn sie nicht so aussehen.
    »Wir treffen uns draußen wieder«, sage ich zu Vanessa.
    Als ich Max an seinem Truck einhole, gießt es in Strömen. »Diese Frau, mit der ich hier bin«, sage ich, »Vanessa. Sie ist meine neue Partnerin.«
    Max schaut mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Warum laufe ich extra in den Regen hinaus, um ihm das zu sagen? Dann beginnt er, über meine Arbeit zu reden, und mir wird klar, dass Vanessa recht gehabt hat: Er hat es falsch verstanden, weil ich ihm die Wahrheit verschwiegen habe. »Du verstehst nicht. Vanessa ist meine Partnerin«, wiederhole ich. »Wir sind zusammen.«
    Ich spüre genau, in welchem Augenblick die Erkenntnis zu Max durchdringt. Nicht, weil plötzlich ein unsichtbares Visier vor seinem Gesicht herunterklappt, sondern weil irgendetwas in mir platzt und ich mich schier unendlich frei fühle. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt geglaubt habe, Max’ Zustimmung zu brauchen. Ich bin nicht die Frau, die er zu kennen geglaubt hat, aber das gilt auch umgekehrt.
    Bevor ich michs versehe, bin ich wieder auf dem Weg zurück zu Vanessa, die mit dem Einkaufswagen unter dem Vordach des Supermarkts auf mich wartet. Ich renne. »Was hast du ihm gesagt?«, will Vanessa wissen.
    »Dass ich für immer mit dir zusammen sein will, dass mir aber ›für immer‹ nicht lange genug ist«, antworte ich.
    Als ich ihren Gesichtsausdruck sehe, überfällt mich das

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