Ein Lied für meine Tochter
größten homophoben Verein in der Gegend hier anführt, wohl je darüber nachgedacht hat, was Jesus von seinen Taktiken halten würde. Irgendetwas sagt mir, dass ein progressiver Rabbi, der mit Aussätzigen, Prostituierten und Zöllnern gebetet und gepredigt hat, man solle andere so behandeln, wie man selbst behandelt werden will, nicht gerade ein Fan der Eternal Glory Church gewesen wäre. Aber eines muss ich ihnen lassen: Sie sind aalglatt. Sie haben so ziemlich auf alles eine Antwort. Und irgendwie fasziniert mich Pauline, die sich selbst nicht als ehemalige Lesbe bezeichnen will, weil sie sich als heterosexuell betrachtet. Ist es wirklich so leicht zu glauben, was man sich einredet? Und wäre ich während all meiner Fehlgeburten vielleicht glücklich gewesen, wenn ich es mir nur eingeredet hätte?
Wenn die Welt doch so einfach wäre, wie Pauline zu glauben scheint.
Ich versuche gerade, sie mit ihrer eigenen Logik ad absurdum zu führen, als Vanessa nach Hause kommt. Ich gebe ihr einen Begrüßungskuss. Das hätte ich zwar ohnehin getan, aber es freut mich besonders, dass Max und Pauline mir dabei zusehen. »Das ist Pauline, und Max kennst du ja«, sage ich. »Sie sind hier, um dafür zu sorgen, dass wir nicht in die Hölle fahren.«
Vanessa schaut mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Zoe, können wir mal kurz miteinander reden?«, sagt sie und zieht mich in die Küche. »Ich werde dir nicht sagen, dass du niemanden ins Haus lassen sollst, aber was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«
»Hast du gewusst, dass du keine Lesbe bist?«, frage ich. »Du hast nur ein lesbisches Problem.«
»Im Augenblick sind die beiden Leute im Wohnzimmer mein einziges Problem. Die sollen bloß machen, dass sie von hier verschwinden«, erwidert Vanessa, folgt mir aber zurück ins Wohnzimmer. Ich beobachte, wie sie immer angespannter wird, während Pauline uns erklärt, dass alle Homosexuellen sexuell missbraucht worden seien, und dass Weiblichkeit bedeute, Slips und Make-up zu tragen. Schließlich hat Vanessa die Nase voll. Sie wirft Max und Pauline hinaus und schließt die Tür hinter ihnen. »Ich liebe dich«, sagt sie zu mir, »aber wenn du deinen Ex und diese Anita Bryant für Arme noch einmal einladen willst, dann hätte ich gerne eine Vorwarnung, damit ich mich rechtzeitig vom Acker machen kann.«
»Max hat gesagt, er müsse mit mir reden«, erkläre ich. »Ich habe gedacht, es ginge um die Scheidung. Ich wusste nicht, dass er Verstärkung mitbringen würde.«
Vanessa schnaubt verächtlich und zieht ihre Highheels aus. »Offen gesagt finde ich schon die Vorstellung, dass sie auf meiner Couch gesessen haben, unerträglich. Am liebsten würde ich sie in die Reinigung geben oder einen Exorzisten bestellen oder … irgendwas eben …«
»Vanessa!«
»Ich habe einfach nicht damit gerechnet, ihn in meinem Haus zu sehen. Besonders heute Abend nicht, wo ich doch …« Sie verstummt.
»Wo du was?«
»Nichts.« Sie schüttelt den Kopf.
»Du kannst es ihnen doch nicht übelnehmen, dass sie sich wünschen, wir würden eines Tages aufwachen und erkennen, wie falsch wir gelegen haben.«
»Ach ja?«
»Nein«, sage ich, »denn genau das wünschen wir uns auch in Bezug auf sie.«
Vanessa schenkt mir ein halbes Lächeln. »Da hast du wohl das Einzige gefunden, was ich mit Pastor Clive und seinen fidelen Heteros gemein habe.«
Vanessa geht in die Küche, und ich nehme an, dass sie den Wein aus dem Kühlschrank holt. Inzwischen ist es schon zur Tradition geworden, dass wir uns abends bei einem netten Glas Pinot Grigio von unserem jeweiligen Tag erzählen. »Ich glaube, wir haben noch was von der Midlife Crisis da«, rufe ich. Das ist ein kalifornischer Wein, den Vanessa und ich allein aufgrund des Namens gekauft haben. Während ich warte, setze ich mich auf die Couch, genau dorthin, wo gerade noch Max gesessen hat. Ich schalte durch die Fernsehsender und bleibe schließlich bei Ellen hängen.
Max und ich haben uns die Show manchmal angesehen, wenn er von der Arbeit nach Hause gekommen ist. Er mochte ihre Converse-Sneakers und ihre blauen Augen. Er hat immer gesagt, mit Oprah wolle er nicht eingesperrt sein – die sei zu einschüchternd, aber Ellen DeGeneres, ja, mit der könne man ein Bier trinken.
Was mir an Ellen gefällt, ist, dass sie (jaja) lesbisch ist, obwohl das eigentlich das Uninteressanteste an ihr ist. Man erinnert sich an sie, weil sie im Fernsehen eine gute Show abliefert, nicht weil sie nach
Weitere Kostenlose Bücher