Ein Lied für meine Tochter
andere Art und Weise schön.
Manchmal, wenn ein männlicher Kollege herausfindet, dass ich mit Vanessa zusammen bin, kann ich es in seinen Augen sehen: die Vorstellung, dass bei uns jede Nacht wie in einem Lesbenporno verläuft. Dabei ist mein gegenwärtiges Sexualleben genauso wenig ein Porno, wie mein früheres eine Liebesszene mit Brad Pitt war. Natürlich könnte ich auch wieder mit einem Mann schlafen, doch ich glaube nicht, dass ich es genießen würde. Auch würde ich mich in seinen Armen nicht mehr so sicher fühlen. Das Zusammensein mit Vanessa erfüllt mich einfach.
Der eigentliche Unterschied zwischen meiner Beziehung zu Vanessa und meiner Ehe mit Max hat jedoch nichts mit Sex zu tun. Es geht um Balance. Wenn Max nach Hause kam, habe ich mich immer gefragt, ob er wohl gut gelaunt ist, ob er einen guten Tag hatte, und dann habe ich mich in den Menschen verwandelt, den er gerade gebraucht hat. Bei Vanessa kann ich einfach so sein, wie ich bin.
Bei Vanessa wache ich auf und denke: Das ist meine beste Freundin. Das ist der wunderbarste Mensch in meinem Leben. Ich wache auf und denke: Ich habe so viel zu verlieren .
Jeden Tag wird neu verhandelt. Vanessa und ich sitzen beim Kaffee zusammen, doch anstatt sich in der Zeitung zu vergraben, wie Max es immer getan hat, diskutiert Vanessa mit mir, was getan werden muss. Jetzt, wo ich bei ihr eingezogen bin, gilt es, einen Haushalt zu führen. Hier gibt es keinen Mann, der ausgebrannte Glühbirnen wechselt oder den Müll rausbringt. Muss etwas Schweres bewegt werden, dann tun wir das gemeinsam. Außerdem muss eine von uns den Rasen mähen, die Rechnungen bezahlen und die Regenrinne säubern.
Als ich verheiratet war, hat Max mich immer gefragt, was es zum Abendessen gibt, und ich wollte wissen, ob er die Wäsche aus der Reinigung geholt hat. Jetzt teilen Vanessa und ich uns die Arbeit. Wenn Vanessa auf dem Heimweg von der Schule noch etwas zu erledigen hat, bringt sie vielleicht Essen mit. Und wenn ich in die Stadt fahre, nehme ich schon mal ihr Auto, um zu tanken. Wir reden viel, und es ist ein ständiges Geben und Nehmen, wenn zwei Frauen in der Küche sitzen.
Es ist schon komisch: Wenn ich früher gehört habe, wie Homosexuelle ihre bessere Hälfte als Partner bezeichneten, dann kam mir das immer seltsam vor. Sind heterosexuelle Lebensgefährten nicht auch Partner? Doch inzwischen weiß ich, dass dem nicht so ist, dass es tatsächlich ein Unterschied ist, ob man jemanden auf einer Cocktailparty als seine ›bessere Hälfte‹ bezeichnet oder ob man sich wirklich gegenseitig ergänzt. Vanessa und ich, wir müssen eigene Regeln für unsere Beziehung entwickeln, denn es handelt sich nicht um das traditionelle Verhältnis von Mann und Frau. Das beinhaltet, dass wir nahezu alle Entscheidungen gemeinsam treffen. Wir fragen die andere immer nach ihrer Meinung. Wir setzen nie etwas voraus. Und auf diese Art ist es auch deutlich unwahrscheinlicher, dass eine von uns die Gefühle der anderen verletzt.
Da wir nun gut einen Monat zusammen sind, sollte man glauben, dass sich schon so etwas wie Gewohnheit eingestellt hat, dass ich Vanessa zwar liebe, aber dass dieses Gefühl der Verliebtheit inzwischen fehlt – aber das stimmt nicht. Ich kann es noch immer kaum erwarten, Vanessa davon zu erzählen, wenn etwas Wunderbares auf der Arbeit passiert ist. Sie ist diejenige, mit der ich feiern will, als ich drei Monate nach der Totaloperation die Nachricht bekomme, dass der Krebs besiegt ist. Sie ist diejenige, mit der ich es mir am Sonntag gemütlich machen will. Aus diesem Grund dauert vieles, was wir uns für das Wochenende vornehmen, doppelt so lange wie üblich, denn wir machen es zusammen. Und warum auch nicht? Schließlich wollen wir ohnehin die ganze Zeit über zusammen sein.
Das ist auch der Grund, warum wir an einem Samstagnachmittag im März gemeinsam im Supermarkt sind und die Angaben auf den Salatdressings lesen, als plötzlich Max neben mir steht. Ich umarme ihn – ein Reflex – und versuche, nicht allzu sehr auf seinen schwarzen Anzug und die schmale Krawatte zu starren. Er sieht aus wie ein Schuljunge, der glaubt, wenn er sich wie die coolen Jungs anzieht, ist er automatisch auch einer von ihnen. Leider funktioniert das nie.
Ich fühle, wie Vanessa hinter mir förmlich darauf brennt, dass ich sie vorstelle, doch die Worte bleiben mir im Halse stecken.
Max streckt die Hand aus, Vanessa schüttelt sie. Das ist die Hölle, denke ich. Der Mann, den ich einst
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