Ein Lied für meine Tochter
nicht«, erklärt Pauline. »Ich biete Ihnen nur meine biblische Weltsicht an.«
»Nun«, sagt Vanessa und steht auf. »Dann bin ich wohl blind, denn diese Unterscheidung ist mir einfach zu subtil. Wie können Sie es wagen, mir zu sagen, dass das, was mich zu dem macht, was ich bin, falsch ist? Sie wagen es zu behaupten, Sie seien tolerant, aber wohl nur solange ich genauso bin wie Sie? Wie können Sie es wagen, mir zu sagen, dass ich den Menschen, den ich liebe, nicht heiraten darf? Dass ich kein Kind adoptieren darf oder dass die Rechte der Homosexuellen keine Menschenrechte sind wie die der Farbigen oder der Behinderten? Aber wissen Sie was? Im Gegensatz zur Religion, die ich jederzeit wechseln kann wie ein Unterhemd, ist man entweder homosexuell, oder man ist es nicht. Und zu Ihrem Glück wird die Religionsfreiheit von der Verfassung geschützt, also bitte ich Sie jetzt höflich, mein Haus zu verlassen, anstatt Sie in Ihren heuchlerischen, evangelikalen Arsch zu treten.«
Zoe erhebt sich ebenfalls. »Vergesst auf dem Weg hinaus nicht, die Tür zuzumachen«, sagt sie.
Auf der Heimfahrt beginnt es zu regnen. Ich lausche dem Rhythmus der Scheibenwischer und erinnere mich daran, wie Zoe früher auf dem Beifahrersitz gesessen und im Takt auf das Handschuhfach getrommelt hat.
»Darf ich dich mal was Persönliches fragen?«, sage ich und drehe mich zu Pauline um.
»Sicher.«
»Ich … äh … Vermisst du es eigentlich manchmal?«
Pauline schaut mich an. »Manche Menschen tun das. Sie kämpfen über Jahre hinweg damit. Es ist wie mit jeder anderen Sucht: Sie erkennen, dass das ihre Droge ist, und sie treffen die Entscheidung, dass sie nicht mehr länger Teil ihres Lebens sein soll. Wenn sie Glück haben, können sie sich als vollkommen geheilt betrachten und ihre Identität von Grund auf ändern. Aber selbst wenn sie nicht so viel Glück haben, stehen sie morgens auf und beten zu Gott, sie noch einen Tag ohne ihre Droge überstehen zu lassen.«
Damit hatte sie meine Frage nicht wirklich beantwortet.
»Christen sind schon seit Urzeiten zu diesem Kampf aufgerufen«, fährt Pauline fort. »Das hier ist nichts anderes.«
Zoe und ich sind einmal zur Hochzeit eines ihrer Patienten gefahren. Es war eine jüdische Hochzeit, und sie war wirklich schön, voller Traditionen und Bräuche, die ich noch nie gesehen hatte. Braut und Bräutigam standen unter einem Baldachin, und die Gebete wurden in einer Sprache gesprochen, die ich noch nie gehört hatte. Am Ende ließ der Rabbi den Bräutigam auf ein Glas treten, das in eine Serviette gewickelt war. Möge eure Ehe so lange bestehen, wie es dauert, dieses Glas wieder zusammenzusetzen , sagte er. Hinterher, als alle dem Brautpaar gratulierten, schlich ich mich unter den Baldachin und nahm einen winzigen Glassplitter aus der Serviette, die dort noch immer lag. Den warf ich dann auf dem Heimweg ins Meer, damit das Glas auf keinen Fall wiederhergestellt werden konnte und das Paar auf immer zusammenblieb.
Als Zoe mich fragte, was ich da tat, da sagte ich es ihr, und sie erwiderte, dass sie mich in diesem Augenblick mehr liebte denn je zuvor.
Heute fühlt sich mein Herz bisweilen wie dieses Weinglas an. Wie etwas, das eigentlich ganz sein sollte, doch dank irgendeines Idioten, der glaubt, es besser zu wissen, hat es nicht den Hauch einer Chance.
Zoe
Jeder will wissen, wie der Sex ist.
Es ist anders als mit einem Mann, und zwar aus den offensichtlichen Gründen und noch vielen anderen, die Sie sich gar nicht vorstellen können. Zum einen ist es wesentlich emotionaler, und man muss sich weniger beweisen. Es gibt Augenblicke, die sind weich und zärtlich, und andere, die sind hart und intensiv. Aber es gibt keinen Mann, der die dominante Rolle spielt, und keine Frau, die sich passiv verhält. Wir wechseln uns ab. Mal ist Vanessa der Beschützer, mal ich.
Der Sex mit einer Frau ist so, wie man es sich mit einem Mann wünscht, was aber so selten zutrifft. Es geht um die Reise, nicht um das Ziel. Es ist ein ewiges Vorspiel. Es ist die Freiheit, nicht den Bauch einziehen oder sich um Zellulite sorgen zu müssen. Man kann sagen, Das fühlt sich gut an , und was noch wichtiger ist, das nicht . Ich muss zugeben, zuerst war es seltsam, mich in Vanessas Arme zu schmiegen, da ich ja eine muskulöse Brust gewöhnt war, aber diese Andersartigkeit war nie unangenehm. Das Gefühl war einfach nur unvertraut, als wäre man plötzlich von der Wüste in den Regenwald gezogen. Es ist auf
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