Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
habe.«
Marcus sagte: »Als ich das Finale gewonnen habe, habe ich mein größtes Ziel erreicht. Und jetzt … jetzt kommt nichts mehr.« Eine Träne lief ihm die Wange herunter.
Dr. Flint schob ihm eine Schachtel Papiertücher hin. »Damit beschreibst du genau die Emotionen, die uns an diesem Wochenende beschäftigen sollen. Wir wollen sie aufspüren und zur Strecke bringen.«
Das klang irgendwie nach Großwildjagd, fand ich. Eine Antilope mit Depressionen – peng ! Ein Tiger mit Schuldgefühlen – wumm !
Ich war allmählich genervt. Immerhin hatten wir jeder tausendfünfhundert Pfund für dieses Seminar hingeblättert und jetzt sollten wir uns anscheinend die ganze Zeit im Elend suhlen!
Ich ergriff das Wort. »Es ist doch bei uns allen das Gleiche. Wir haben großes Glück. Manche von uns haben Glück mit ihren Eltern, andere haben das Glück, sportlich oder musikalisch zu sein, und ich hatte eben Glück im Spiel. Aber man muss keine Schuldgefühle haben, bloß weil man Glück hat, finde ich. Ich fühle mich ja auch nicht schlecht, weil ich zufällig in Großbritannien geboren bin und nicht in Afrika oder so. Okay, auch bei uns gibt es Armut, aber immerhin gehen hier alle Kinder zur Schule und müssen nicht in der Jeansfabrik schuften. Bei uns gibt es auch keine Naturkatastrophen, keine Überschwemmungen und Erdbeben und so weiter. Das mag ungerecht sein, aber meine Schuld ist es nicht. Und darum brauche ich auch keine Schuldgefühle zu haben.«
Und dann sprach ich es aus. Ich sprach aus, was ich so oft von meinen Eltern zu hören bekam – das bescheuertste Totschlagargument der Welt.
»Das Leben ist eben ungerecht.«
22
Man kann viel Gutes tun auf der Welt.
Das Problem ist die Auswahl –
wo hilft man, wem und wie.
Mario betreibt in Kolumbien einen Friseursalon. Er sorgt für seine drei jüngeren Brüder. Mit einem Kredit über tausendfünfhundert Dollar könnte er den Salon vergrößern und eine zweite Kraft einstellen.
Shantu lebt in Kambodscha. Sie ist vierundzwanzig und sorgt für zwei kleine Brüder und ihren behinderten Vater. Mit zweitausend Dollar könnte sie Saatgut kaufen, Reis anpflanzen und sich ein Motorrad leisten, mit dem sie die Ernte zum Markt fährt.
Mario und Shantu lernten wir in einem Filmchen kennen, das uns vorführen sollte, wie wir mit relativ kleinen Summen Großes bewirken könnten.
»Ein Brunnen in Afrika oder Südostasien kostet nur hundertfünfzig Dollar«, sagte Martha, die diesen Teil des Seminars leitete. »Damit rettet ihr unzähligen Menschen das Leben. Habt ihr euch schon mal vorgestellt, wie das ist, ohne sauberes Trinkwasser auskommen zu müssen? Millionen Menschen geht es so und jedes Jahr sterben Tausende Kinder deswegen.«
Nein, ohne sauberes Trinkwasser auskommen zu müssen hatte ich mir noch nicht vorgestellt. Ich konnte mir ja noch nicht mal vorstellen, ohne Shampoound Spülung auszukommen. Olivia hatte feuchte Augen und machte ein Gesicht, als würde sie gleich losheulen. Ich dachte an den kleinen Alfie, wie er mit Delfinen schwamm. Für die achttausend Dollar, die seine Therapie kostete, hätte ich Dutzende Brunnen finanzieren können. Mums neue Brüste, unsere Designerklamotten – warum hatte ich nie darüber nachgedacht?
Warum besaßen wir in unseren reichen Ländern nicht nur das Lebensnotwendige, sondern alles, was man sich wünschen konnte? Warum bemühten wir uns nicht, mit weniger auszukommen, und retteten Tausenden leidenden Kindern das Leben?
Andererseits … Alfie war auch ein leidendes Kind. Hatte er nicht genauso eine Chance verdient?
Martha warb für Hilfe zur Selbsthilfe. Sie erklärte uns auch, warum: Wenn wir Leuten wie Mario und Shantu einen Kleinstkredit gewährten, behandelten wir sie als Gleichgestellte und nicht als Bettler.
»Ich rate immer dazu, sich ein Projekt oder ein Land zu suchen, zu dem man einen persönlichen Bezug hat«, sagte sie. »Zu erleben, was man mit seinem Geld alles bewirken kann, ist unglaublich befriedigend.«
War das der Sinn des Reichseins? Sich in eine gute Fee zu verwandeln, die weltweit Wunder wirkte? Aber wo blieb ich dabei? Konnte ich nicht auch eine gute Fee gebrauchen?
Es folgte eine Informationsstunde über Treuhandfonds, offenbar eine beliebte Methode reicher Familien, ihre Kinder mit Geld zu versorgen. Luke und Olivia besaßen beide einen üppigen Treuhandfonds.
»Das ist schon cool«, meinte Luke. »Wenn ich nicht will, brauche ich nie zu arbeiten.«
»Und was hast du vor, wenn du in Eton
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