Ein Mann ein Mord
Damit wären wir auch beim Grund meines Anrufs. Ich möchte Sie engagieren.«
Hatte der Whisky an diesem Mittag so eine enorme Wirkung oder träumte ich.
»Bitte?!«
»Sie haben richtig verstanden. Es geht um meinen Neffen Axel. Sie haben ihn ja kennengelernt. Zwar ist er in jeder Hinsicht mißraten, aber zu unseren Verabredungen kam er seit zwanzig Jahren immer pünktlich - bis heute morgen. Herr Köberle berichtet, er habe Axel gestern nacht, nach Ihrem Auftritt in der Werkstatt, nach Hause gefahren, aber dort ist er nicht. Ich habe den Morgen herumtelefoniert, er ist auch sonst nirgendwo, und, ehrlich gesagt, ich mache mir Sorgen. Es gibt da Jugoslawen, die sich in meine Geschäfte einmischen wollen - Einzelheiten erfahren Sie, wenn Sie herkommen. Jedenfalls will ich, daß Sie meinen Neffen finden. Als Bezahlung dürfte der seinem ursprünglichen Zweck enthobene Scheck wohl genügen.«
Ich hatte einen tiefen Schluck genommen und mich mit dem Apparat hinter den Schreibtisch gesetzt.
»Tut mir leid. Ich kann den Auftrag nicht annehmen.«
»Warum nicht?«
»Weil ich mich auf ein Billardturnier vorbereite.«
»Sie scherzen.«
»Nein.«
Ich sah aus dem Fenster. Ein Kondensstreifen zog sich über den Himmel gen Süden. Dann fragte Schmitz wie nebenbei: »Haben Sie den Scheck eigentlich schon eingelöst?«
Ich wußte, was er vorhatte, und ich wußte, daß ich die zwanzigtausend Mark behalten konnte, wenn ich ›Ja‹ sagte. Was ich nicht so genau wußte, warum ich ›Nein‹ antwortete.
»Tja. Keine Leiche in Gellersheim, keine Möglichkeit, wegen der Asylantengeschichte zur Polizei zu gehen…«
Er wartete, ob er sich eventuell irrte und ihm widersprochen würde. Aber er irrte sich nicht und fügte schließlich hinzu »… also werde ich den Scheck sperren lassen.«
»Machen Sie das. Dann haben Sie mehr Geld.«
Er lachte, »… ganz recht. Auf Wiederhören«, und legte auf. Ich starrte eine Weile vor mich hin. Dann nahm ich die Hälfte von Weidenbuschs Geld, steckte sie in einen Umschlag mit einem Zettel ›Miete Kayankaya‹ und schrieb Kunzes Adresse auf den Umschlag. Danach machte ich mich daran, das Büro in Schuß zu kriegen. Ich saugte und fegte, spülte Geschirr und brachte den Müll runter.
Mit einem frisch gefüllten Glas setzte ich mich an den gewischten Tisch und öffnete die Post. Eine Zeugenvorladung vom Gericht - der Fall lag zwei Monate zurück -, das Werbeschreiben einer Waffenfirma, eine ›Liga für die Zukunft Palästinas‹ fragte an, ob ich als Leibwächter zu engagieren sei… Ich begann, Sätze drei-, viermal zu lesen, ohne den Inhalt zu begreifen, legte schließlich den Rest Briefe ungeöffnet beiseite und lehnte mich zurück. Auch wenn ich mir Mühe gab, es war kein Tag für Routine. Morgen würde ein Tag dafür sein, und übermorgen, und die darauffolgenden Tage, aber heute… schon mein Name auf den Umschlägen war mir zuviel. Ich zog Schmitz’ Scheck aus der Brieftasche und stellte ihn gegen den Fuß der Schreibtischlampe. Er machte sich gut dort. Dann leerte ich das Glas und stand auf.
Es war kurz nach zwei, als ich das braune Bürogebäude verließ und den Weg Richtung Innenstadt einschlug. Bei der ersten Trinkhalle kaufte ich Zigaretten, das Päckchen für acht Mark. In sechs Stunden war ich mit Elsa Sandmann verabredet, und es sah danach aus, als würde die Luft auch am Abend warm bleiben. Bis dahin wollte ich mir ein ruhiges Café mit Terrasse suchen. Vielleicht gab es im Hinterzimmer sogar einen kleinen Billardtisch. Ich würde ein paar Kopfstöße trainieren können. Das Turnier war in drei Wochen, und wenn Slibulsky nur halbe Kraft war, mußte ich bis dahin eben doppelte werden.
Ich zahlte, setzte die Sonnenbrille auf und lief die Straße hinunter. Über den amerikanischen Kasernen glitzerten die Hochhäuser, und es roch nach Teer und verbranntem Gummi.
Buch
Ein neuer Fall für Kayankaya. Schauplatz Frankfurt, genauer: der Kiez mit seinen eigenen Gesetzen, die feinen Wohngegenden im Taunus, der Flughafen. Kayankaya sucht ein Mädchen aus Thailand. Sie ist in jenem gesetzlosen Raum verschwunden, in dem Flüchtlinge, die um Asyl nachsuchen, unbemerkt und ohne Spuren zu hinterlassen leicht verschwinden können. Was Kayankaya dabei über den Weg und in die Quere läuft, von den heimlichen Herren Frankfurts über korrupte Bullen und fremdenfeindliche Beamte in den Ausländerbehörden bis zu Parteigängern der Republikaner mit ihrer Hetze gegen alles Fremde und Andere,
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