Ein Mann für alle Fälle
Schwierigkeiten“, lautete Harolds Kommentar, doch es klang nicht unfreundlich. „Unternehmen Sie etwas. Sie müssen sie finden.“
„Ja, bitte“, drängte nun auch June mit bebender Stimme.
Mitch tätschelte beruhigend ihre Schulter. „Ich habe alles im Griff, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“
Einen Augenblick später verließ er mit einem letzten aufmunternden Kopfnicken in Junes Richtung das Haus. Und was zum Teufel tust du nun? dachte er, als er sich gleich darauf draußen in der Hitze vor Maes Mercedes wiederfand und die Fahrertür aufschloss.
Mae ging die Treppe nach oben und öffnete die erste Tür, an der sie vorbeikam.
In diesem Zimmer war sie noch nie gewesen, es schien ein Gästezimmer zu sein, aber irgendetwas daran kam ihr seltsam vor. Stirnrunzelnd stand sie auf der Schwelle und versuchte herausfinden, was es war. Die Wände waren in einem leuchtenden Gelb gestrichen, und die Zierborte, mit der sie abgesetzt waren, trug ein zartes Blümchenmuster. Die Möbel waren weiß, die Vorhänge waren mit gelben Blumen und Schmetterlingen bedruckt. Der einzige Einrichtungsgegenstand, der den Gesamteindruck störte, war das einfache Bett, das in der Mitte des Raums stand. Es wirkte wie ein Möbelstück, das man nur vorübergehend hier hereingestellt hatte.
Vielleicht hatte Stormy ja ein Bett bestellt, das besser zu der Einrichtung passte, aber es war noch nicht geliefert worden. Mae versuchte sich vorzustellen, wie das Bett aussehen könnte, und erstarrte.
Der Raum hier war ein Kinderzimmer. Sie dachte an den Katalog mit Spielzeug, der unten in der Halle auf dem Tisch lag und über den sie sich bereits vorhin gewundert hatte. Und plötzlich wusste sie, dass das einzige Möbelstück, das dieses unpassende Bett ersetzen konnte, eine Wiege war.
Stormy hatte ein Kinderzimmer geplant.
Von Mitleid mit Stormy überwältigt, ließ Mae sich aufs Bett sinken. Sie hatte Armand so sehr geliebt, dass sie sich ein Kind von ihm gewünscht hatte. Mae schloss die Augen und stellte sich Stormy vor, wie sie mit einem kleinen rothaarigen Kind hier in diesem Zimmer spielte. Bestimmt hatte Stormy ähnliche Fantasien gehabt.
Nach einiger Zeit stand Mae auf und ging in den gegenüberliegenden Raum.
Es war ein Schlafzimmer, in dem die Farben Braun und Rot dominierten und in dessen Mitte ein breites Doppelbett aus Mahagoni seinen Platz hatte. Neben dem Bett stand ein großer Korb, der bis obenhin voll gestopft war mit Armands Socken und Unterwäsche. Harold hatte offensichtlich entschieden, diese Sachen nicht in die Altkleidersammlung zu geben.
Mae warf einen Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch. Sie war schon seit mehr als zwei Stunden hier. Es wurde Zeit zu verschwinden, ehe die Polizei sie hier womöglich noch aufstöberte. Am besten würde wohl sein, wenn sie mit dem Bus zu Mitch fuhr, doch auf einmal fiel ihr ein, dass sie keinen Cent in der Tasche hatte, weil sie gestern Mitch ihren letzten Zwanziger für Benzin gegeben hatte.
Es würde ihr wohl nichts anderes übrig bleiben, als zu Fuß zu gehen. Sie blickte auf ihre Füße. Die Schuhe mit den dünnen Ledersohlen, die sie heute Morgen in der Eile angezogen hatte, waren nicht für lange Wanderungen geeignet. Bei der vorsichtigen Schätzung, dass Mitchs Wohnung wohl etwa fünfzehn bis zwanzig Meilen entfernt liegen dürfte, stöhnte sie laut auf. Das war ein Fußmarsch von vier bis fünf Stunden.
Sie ging zu den Kartons hinüber, die Harold für die Altkleidersammlung der Wohlfahrt zusammengepackt hatte. Vielleicht fand sie ja ein Paar Schuhe darin, auch wenn es nur Hausschuhe waren. Sie durchwühlte die Kisten und zog schließlich ein Paar nagelneue Sportschuhe hervor. Wahrscheinlich hatte Stormy sie Armand irgendwann einmal gekauft, ohne zu ahnen, dass er lieber gestorben wäre, als dass er Joggingschuhe angezogen hätte.
Arme Stormy. Nach sieben Jahren hätte sie es eigentlich besser wissen müssen. Doch sie hatte ihn einfach nur als den Armand gesehen, den sie hatte sehen wollen. Stormys Armand wünschte sich ein Kind und Joggingschuhe. Der wirkliche Armand wünschte sich Barbara Ross und ihr Geld.
Da Mae die Schuhe natürlich viel zu groß waren, waren nun noch Socken vonnöten. Sie wandte sich dem Korb zu und kramte die dicksten Exemplare hervor, die sie finden konnte. Noch drei solche Paare, dann würden ihr die Schuhe wenigstens annähernd passen.
Als sie nach dem vierten Paar grub, stieß sie auf etwas Hartes und zog es hervor.
Es war ein
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