Ein Mann für alle Sinne - Roberts, N: Mann für alle Sinne
Juliet.“
„Soll das ein Kompliment oder eine Beleidigung sein?“
„Frauen beleidige ich niemals.“ Er sagte es so schlicht, dass sie es ihm hundertprozentig glaubte. Im Gegensatz zu Juliet war er völlig gelassen und schien auch nicht besonders müde zu sein. „Wären wir jetzt in Rom, könnten wir in eine gemütliche Bar gehen und bei einem Glas Rotwein Musik hören.“
Sie kurbelte das Fenster hoch, die Nachtluft war feucht und kühl. „Stört die Büchertour die Routine Ihres Nachtlebens?“
„Bisher finde ich mich doch in stimulierender Gesellschaft wieder.“
„Morgen werden Sie sich völlig verausgabt wiederfinden.“
Carlo dachte an sein bisheriges Leben und lächelte milde. Mit neun hatte er die Zeit zwischen Schulschluss und Abendessen in Küchen mit Geschirrspülen und Bödenwischen zugebracht. Mit fünfzehn hatte er in Restaurants gekellnert und seine Freizeit dazu genutzt, um alles über Gewürze und Soßen zu lernen. In Paris hatte er dann während des Studiums nebenher als Souschef gearbeitet. Selbst jetzt bescherten ihm sein Restaurant und seine Kunden einen Zwölfstundentag. Lange nicht alles über seinen Hintergrund stand in der säuberlich gedruckten Biografie, die in Juliets Aktenkoffer steckte.
„Ich habe keine Angst vor der Arbeit, solange sie mich interessiert. Ich denke, Sie halten es ebenso.“
„Ich muss arbeiten“, stellte sie richtig. „Aber es macht die Sache einfacher, wenn man seine Arbeit gern tut.“
„Man ist auch erfolgreicher, wenn man sie gern tut. Sie sind das lebende Beispiel dafür, Juliet. Ehrgeiz ohne Freude an der Arbeit ist kalt, selbst das Erreichte hinterlässt dann einen schalen Beigeschmack.“
„Aber ich bin ehrgeizig.“
„Ja, natürlich.“ Er sah sie mit einem Blick an, der ein Flattern in ihrem Magen auslöste, für das sie eigentlich zu vernünftig war. „Aber Sie sind nicht kalt.“
Ihr schoss der Gedanke in den Kopf, dass sie vielleicht besser dran wäre, wenn er unrecht hätte. „Da ist schon das Hotel.“ Sie wandte sich von Carlo ab, froh darüber, dass sie sich wieder auf die beruflichen Details konzentrieren konnte. „Warten Sie bitte“, wies sie den Fahrer an. „Sobald wir uns eingetragen haben, kommen wir wieder, wir haben noch etwas zu erledigen. Das Hotel soll eine wunderschöne Aussicht auf die Bucht bieten, hat man mir gesagt“, meinte sie zu Carlo, als sie in die Lobby gingen, während der Page sich um das Gepäck kümmerte. „Zu schade, dass wir keine Zeit haben werden, die Aussicht zu genießen. Franconi und Trent“, meldete sie sich und Carlo dann am Empfangsschalter an.
Das Foyer war leer und ruhig. Oh, die Glücklichen, die jetzt schon schlafend in ihren Betten liegen, dachte sie und steckte sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr.
„Wir checken gleich morgen früh wieder aus und kommen dann auch nicht mehr hierher zurück. Sie sollten also darauf achten, dass Sie nichts im Zimmer vergessen“, wies sie Carlo an.
„Natürlich werden Sie trotzdem noch einmal einen Kontrollgang machen, nicht wahr?“
Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, während sie das Anmeldeformular unterschrieb. „Gehört mit zum Service.“ Ungerührt ließ sie ihren Zimmerschlüssel in die Tasche gleiten. „Das Gepäck kann direkt nach oben gebracht werden.“ Unauffällig steckte sie dem Pagen einen gefalteten Geldschein in die Hand. „Mr Franconi und ich haben noch etwas zu erledigen.“
„Ja, Ma’am.“
„Das mag ich an Ihnen.“ Zu Juliets Überraschung hakte Carlo sich bei ihr unter, als sie das Hotel wieder verließen.
„Was?“
„Ihre Großzügigkeit. Die meisten wären wohl hinausgegangen, ohne dem Pagen ein Trinkgeld zu geben.“
Sie zuckte leicht mit den Achseln. „Vermutlich fällt Großzügigkeit leichter, wenn es nicht das eigene Geld ist.“
„Juliet.“ Er hielt die Tür des wartenden Taxis für sie auf. „Sie sind doch intelligent und wissen genau, wie es viele andere machen. Sie könnten sich das Trinkgeld für den Pagen sparen und es dann später dennoch auf die Spesenabrechnung setzen.“
„Für fünf Dollar lohnt es sich nicht, unehrlich zu sein.“
„Nichts ist Unehrlichkeit wert.“ Carlo nannte dem Taxifahrer Namen und Adresse des Supermarkts und lehnte sich in den Sitz zurück. „Mein Instinkt sagt mir, dass, sollten Sie jemals versuchen zu lügen – ich meine, eine echte Lüge –, Ihnen wahrscheinlich die Zunge herausfallen würde.“
„Mr Franconi.“ Sie presste die Lippen
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