Ein Mann für alle Sinne - Roberts, N: Mann für alle Sinne
zusammen. „Sie vergessen, dass ich in der Werbung arbeite. Würde ich nicht lügen, hätte ich meinen Job nicht mehr lange.“
„Ich meine, eine wahrhaftige Lüge“, hielt er dagegen.
„Ist das nicht ein Widerspruch in sich?“
„Vielleicht sind Sie ja noch zu jung, um all die vielen Variationen von Lüge und Wahrheit zu kennen. Ah, sehen Sie, deshalb liebe ich Ihr Land so sehr.“ Er beugte sich vor und schaute zum Fenster hinaus auf den hell erleuchteten großen Supermarkt. „Wenn man in Amerika um Mitternacht Lust auf Kekse hat, kann man hier auch um Mitternacht Kekse kaufen. Eine enorm verbraucherfreundliche Atmosphäre.“
„Freut mich, dass Ihnen das zusagt. Warten Sie bitte auf uns“, wies sie den Taxifahrer erneut an und stieg auf der anderen Seite des Taxis aus. „Ich hoffe, Sie haben im Kopf, was Sie alles brauchen. Ich würde nur ungern morgen früh im Studio ankommen und feststellen, dass ich noch einmal losrennen muss, um ganze Pfefferkörner oder Ähnliches zu besorgen.“
„Ein guter italienischer Chefkoch weiß alles über seine Linguini.“ Er schlang den Arm um ihre Schultern und zog sie an seine Seite. Zusammen betraten sie den großen Laden. „Das ist Ihre erste Lektion, meine Liebe.“
Zuerst führte er sie in die Fisch- und Meeresfrüchteabteilung. Vor den Auslagen murmelte er vor sich hin, schnalzte mit der Zunge, prüfte, wählte aus und verwarf, bis er die richtige Anzahl Muscheln für zwei Gerichte beisammen hatte. Bisher hatte Juliet nur Frauen bei der Wahl eines Verlobungsringes so viel Zeit brauchen sehen.
Juliet fiel die Aufgabe zu, den Einkaufswagen zu schieben, während Carlo neben ihr herging und alles genauestens studierte und aus den Regalen nahm – Dosen, Schachteln, Flaschen. Sie wartete, während er die Waren in die Hand nahm, begutachtete und mit seinen langen Künstlerfingern über die Etiketten fuhr, während er die Informationen über die genauen Inhaltsstoffe las. Amüsiert fiel ihr auf, wie der Diamant an seinem kleinen Finger im Neonlicht aufblitzte.
„Erschreckend, was sie alles in diesen fertig verpackten Fraß geben“, lautete sein Urteil, als er eine Packung ins Kühlregal zurückstellte.
„Vorsicht, Franconi, Sie sprechen hiervon meinen Grundnahrungsmitteln.“
„Davon muss Ihnen doch übel werden.“
„Fertiggerichte haben die amerikanische Frau vom Küchenherd losgekettet.“
„Und die Geschmacksnerven von Generationen zerstört.“ Sorgfältig und ohne Hast wählte er seine Gewürze. Er öffnete Oregano-Päckchen von drei verschiedenen Firmen und schnupperte, bevor er sich für eine Marke entschied. „Ich sage Ihnen, Juliet, ich bewundere Ihre amerikanische zeitsparende Zweckmäßigkeit, aber ich gehe lieber in Rom einkaufen, wo ich an den Marktständen entlangschlendern und Gemüse aussuchen kann, das gerade geerntet wurde, und Fisch, der gerade aus der See gezogen wurde. Da kommt nicht alles aus der Dose wie hier.“
Er ließ keinen Gang aus, doch Juliet hatte ihre Müdigkeit längst vergessen, so fasziniert war sie. Noch nie hatte sie jemanden einkaufen sehen wie Carlo Franconi. Es war, als würde man mit einem Kunstprofessor durch ein Museum wandern. Vor dem Mehlregal begann er zu schimpfen und funkelte jedes Paket mit gerunzelter Stirn böse an. Sie hatte Angst, er könne sie alle aufreißen, um den Inhalt zu kosten. „Ist das hier eine gute Marke?“
Juliet schätzte, dass sie zweimal im Jahr Mehl kaufte. „Nun, meine Mutter hat diese Sorte schon immer benutzt, aber ...“
„Gut. Vertraue immer einer Mutter.“
„Als Köchin war sie völlig unfähig.“
Carlo legte das Paket Mehl in den Einkaufswagen. „Sie ist eine Mutter.“
„Eine erstaunliche Bemerkung von einem Mann, dem keine Mutter vertrauen sollte.“
„Ich habe den größten Respekt vor Müttern. Ich selbst habe schließlich auch eine. Aber jetzt... Wir brauchen Knoblauch, Pilze, Paprika. Alles frisch.“
Carlo ging an den Gemüseauslagen entlang, griff, drückte, schnupperte. Vorsichtig schaute Juliet sich um und war dankbar, dass um diese Uhrzeit nicht mehr allzu viele Mitarbeiter im Laden waren. „Carlo, Sie können nicht einfach alles anfassen.“
„Wenn ich es nicht anfasse, wie soll ich dann wissen, ob es wirklich gut ist oder einfach nur hübsch aussieht?“ Über die Schulter schickte er ihr ein schnelles Lächeln. „Ich sagte doch schon, Essen lässt sich in vielerlei Hinsicht mit einer Frau vergleichen. Da haben sie doch tatsächlich diese
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