Ein Mann von Ehre
bisher nicht zugetraut hatte. Sie war überzeugt, dass ihr Bruder in Zukunft seinen Kopf nicht mehr so ohne Weiteres durchsetzen würde.
„Es tut mir leid, dass ihr euch meinetwegen gestritten habt. Ich bin jedoch froh darüber, dass du ihn zu diesem Besuch überreden konntest. Mir ist es entschieden lieber, wenn wir alle wieder miteinander auf gutem Fuß stehen.“
„Ich musste nicht sehr lange auf Freddie einreden, nachdem er den Brief meiner Tante gelesen hatte“, erwiderte Beatrice. „Das war sehr traurig. Hätte ich geahnt, was sie vorhatte, wäre ich vielleicht imstande gewesen, sie davon abzuhalten, sich umzubringen. Ich weiß, sie konnte manchmal sehr unangenehm sein, aber ich glaube, dass sie in ihrem Leben nicht glücklich war.“
„Ja, das denke auch ich, und ich wette, dass sie bereute, was sie getan hatte“, sagte Rosalyn. „Sie war wütend und verletzt, als sie Papas Pistole an sich nahm. An dem Tag hatte dein Onkel einige sehr grausame Äußerungen zu ihr gemacht, die sie zum Äußersten getrieben haben müssen. Natürlich war es falsch, was sie getan hat, unter den Umständen jedoch verständlich.“
„Ich glaube nicht, dass es so falsch war“, entgegnete Beatrice leicht errötend. „Onkel Bernard war ein schrecklicher Mensch. Er hat mir Angst gemacht, und ich bin froh, dass ich ihm nie mehr begegnen werde.“
Rosalyn äußerte sich nicht dazu, so wie sie den Verdacht, Mr. Harringtons Mörder sei höchstwahrscheinlich seine Schwester, für sich behalten hatte. Der Gedanke war ihr so grässlich erschienen, dass sie sich eingeredet hatte, sie müsse sich irren.
„Das alles ist sehr unerfreulich gewesen“, erwiderte sie. „Ich meine, wir sollten das zu vergessen versuchen und in die Zukunft blicken. Erzähl mir, Beatrice, was du von Paris hältst.“
Rosalyn saß am Frisiertisch und bürstete sich das Haar, als der Gatte ins Zimmer kam. Sie legte die Bürste auf den Tisch, stand auf und begrüßte ihn.
„Bist du müde?“, erkundigte er sich. „Du hast einen anstrengenden Tag hinter dir, mein Schatz, und solltest dich ausruhen.“
„Ich fühle mich gut“, erwiderte sie und breitete die Arme aus. „Ich weiß, gestern bin ich ohnmächtig geworden, aber …“
„Ja, zwei Mal“, hielt Damian ihr vor. „In deinem Zustand musst du gut auf dich achtgeben, Rosalyn. Ich will weder deine Gesundheit noch die unseres Kindes gefährden.“
„Schimpf nicht mit mir“, sagte sie und bot ihm die Lippen zum Kuss. „Gestern war es sehr warm, und die Hitze hatte mir zugesetzt. Heute ist es viel kühler. Außerdem habe ich fast den ganzen Tag lang mit Beatrice zusammengesessen.“
Damian küsste die Gattin, ließ sie los und setzte sich auf den Rand des Bettes. Er schaute zu, wie sie sich wieder das Haar bürstete. Sie war so schön, so gelassen. Er vermochte noch immer nicht ganz zu fassen, dass er das Glück gehabt hatte, ihr zu begegnen und sie heiraten zu können. Endlich war das Glück ihm hold gewesen. Er durfte es sich nicht von seinen Erinnerungen zerstören lassen. Es war an der Zeit, die Vergangenheit zu vergessen.
„Ich war überrascht, deinen Bruder und seine Frau hier zu sehen“, sagte er. „Dir war nicht bekannt, dass sie herkommen wollten, nicht wahr? Gestern Abend hatte ich dir einige Briefe bringen lassen. Hast du sie nicht gelesen?“
„Mir war nicht danach zumute“, gestand Rosalyn. „Später habe ich nicht mehr an sie gedacht.“
„Das ist nicht überraschend, wenn ich berücksichtige, was danach passierte.“ Damian furchte die Stirn.
„Ja, es war ein ereignisreicher Tag“, meinte Rosalyn und lachte den Gatten an. „Erst kündigte Rajib an, er und Nessa würden nach Indien zurückkehren, und dann kamst du und warst voller Blut.“
„Ich wäre nicht zu dir gekommen, hätte ich gewusst, dass du da bist.“
„Ich bin froh, dass du zu mir gekommen bist, mein Liebling.“ Ängstlich schaute Rosalyn ihn an. „Schmerzt die Wunde wirklich nicht mehr so stark?“
„Nein. Das ist doch nur ein Kratzer, Liebste“, antwortete er und sah sie nachdenklich an. „Ich habe nachgedacht. Möchtest du bei deinen Verwandten sein? Nachdem Mrs. Jenkins jetzt gestanden hat, ihren Bruder ermordet zu haben, könnten wir nach England fahren, ohne einen Skandal befürchten zu müssen. Möglicherweise wären wir nicht überall willkommen, aber ich wette, dass wir bald neue Freundschaften geschlossen haben werden, sodass du dich nicht gesellschaftlich ausgeschlossen fühlen
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