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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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seit fünf Jahren, Kalli, und der Mist wird imma jrößa.«
    Eine Weile essen sie schweigend. Dann fragt Kalli, indem er mit dem Kopf auf die Zeitung deutet: »Was macht der Dollar?«
    »Vierundvierzigeinviertel«, antwortet sie.
    »Wieder zwei Mark schlechter!« sagt Kalli. »Ich muß mit der Taxe höher. Der Benzinpreis steigt auch immer gleich.«
    »Denn wird bald keena mehr in deine Taxe fahren.«
    »Genug! Ausländer und Schieber und Nutten – von denen gibt’s so viele, ich hab genug zu fahren, Rieke! Immer von einem Nachtlokal ins andere! Immer von einem Spielklub in den anderen! Immer von einem Nackttanz zum anderen! Es war ein Schweinedusel, daß ich die Autotaxe noch kaufen konnte!«
    »War’s«, gibt Rieke zu. »Sonst wären wa schon längst vahungert wie Vata. Den hat die Jrippe ooch bloß so schnell umjekippt, weil er nischt im Leibe hatte.«
    Wieder essen sie schweigend. Dann fragt Kalli: »Steht sonst noch was in der Zeitung?«
    »Ja – aber det willste doch nich hören, Kalli!«
    »Wieder was von den Kriegsgefangenen?« – Sie nickt nur. Nach kurzem Zögern sagt er: »Du kannst’s mir ruhig erzählen, Rieke, ich will bloß nicht, daß du dir was einbildest.«
    Zum ersten Mal wird Friederike Busch lebhafter: »Ich bild mir schon nischt ein, Kalli! Davon hat mir mein Leben kuriert, von die Inbildung! Aber ick weeß det, Kalli, hier drinnen weeß ick det«, sie legt die Hand auf die Brust, »der Karle lebt noch. Der Karle, der kommt wieda!«
    Kalli Flau wirft einen kurzen Blick auf sie. Dann sagt er,was er ihr schon hundertmal gesagt hat: »Das sind nun schon über drei Jahr, daß Karl als vermißt auf der Verlustliste stand. Und nie hat er auch nur ein Wort geschrieben!«
    Hastig ruft Rieke: »Zu wat sagste det denn? Det bedeutet jar nischt! Vajangene Woche is erst einer aus Sibirien wiedergekommen – bei die Voß in der Schlegelstraße, du kennst ihr nich, der war sogar vier Jahre fort und nie nich een Wort von ihm! Und nu is er doch zu Hause!«
    Beruhigend sagt Kalli: »Sibirien, das ist Rußland, Rieke, in Rußland haben sie Revolution gemacht, da ist alles möglich. Aber Karl war in Frankreich, und in Frankreich herrschen geordnete Zustände.«
    »Jeordnete Zustände nennste det?« ruft Rieke wild. »Is det etwa jeordnet, wenn der Clemenceau unsre Männer noch imma festhält?«
    »Nein«, sagte Kalli. »Das ist es nicht. Und den Clemenceau, wenn wir den hier hätten …! Aber, Rieke …« Kalli Flau ist jetzt aufgestanden und steht neben ihr. Er hat sanft seine schwere Hand auf ihre Schulter gelegt. »Aber vermißt ist nicht kriegsgefangen. Er hat drei Jahre kein Wort geschrieben.«
    »Wo ick et fühle, Kalli! Ick fühle et doch! Karle lebt –!«
    »Du fühlst, weil du hoffst, und du hoffst, weil du es nicht glauben willst. Aber, Rieke, du kannst nicht dein ganzes Leben verhoffen. Du mußt dich daran gewöhnen, daß –« Er bricht ab. Sie hat den Kopf gesenkt, jetzt antwortet sie nicht. Sie weiß, was jetzt kommt, und sie hat nicht die Kraft, sich zur Wehr zu setzen. Kalli Flau fragt sanft: »Du weißt doch, was du mir versprochen hast, Rieke? Es sind nur noch zweiundzwanzig Tage bis Weihnachten …« Sie sitzt bewegungslos unter seiner Hand. Mit keinem Zeichen verrät sie, daß sie seine Worte hört. Er sieht auf ihren gesenkten Scheitel, dann fällt sein Blick auf den Schneidertisch. »Da liegt noch immer das rote Kleid von der Ägidi«, sagt er, »das du schon vorige Woche abliefern wolltest. Du hast keinen Stich daran getan. Du hast die Tilda aufs Land zu Tante Bertha geschickt – wir hätten sie hier auch noch satt gekriegt. Aber du willst gar nichts mehr tun, Rieke, du willstnur noch sitzen und warten und hoffen …« Sie regt sich noch immer nicht. Sie, die sonst so lebendig und tatkräftig war, empört sich nicht unter seinen Worten. »Wir haben den Krieg verloren«, fährt er langsam fort. »Jeder hat viel verloren, auch ich, den besten Freund … Aber müssen wir darum zugrunde gehen? Muß darum alles zugrunde gehen? Es gibt so viel Arbeit!« Er hat das rote Kleid unter dem Wust anderer Stoffe hervorgezogen und sieht es einen Augenblick gedankenvoll an. Dann hängt er es vorsichtig über die Nähmaschine. Er sagt: »Weiß Gott, daß ich dir das Versprechen nicht um meinetwillen abgenommen habe.« Er spricht immer leiser. »Ich habe dich von allem Anfang an geliebt, und ich weiß, daß du mich nicht …« Wieder unterbricht er sich: Dann sagt er entschlossen: »Es ist nicht um

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