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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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voran.
    Es ging in ein großes Schlafzimmer. Der Rittmeister fing an, in einem halbausgepackten Offizierskoffer zu suchen. Erst wühlte er, dann fing er an, alles, was darin lag, auf die Erde zu streuen. Karl nahm es stillschweigend und packte es auf Sofa, Tisch, Stuhl. »Ach, laß doch den Kram!« rief Herr von Senden verächtlich. »Ich werde sehen, daß ich in dernächsten Zeit alles los werde, aber auch alles hier.« Er suchte immer weiter, während er fort sprach. »Die ganze Wohnung gebe ich auf. Ich will froh sein, wenn ich nur ein möbliertes Zimmer habe. Der Mensch bildet sich bloß ein, daß er so viel braucht. Nur ein Bad möchte ich gerne bei meinem Zimmer haben. Aber vielleicht bilde ich mir auch ein Bad nur ein. Möglich! – Da ist es endlich!« Er hatte gefunden, was er gesucht hatte, ein Päckchen Fotos. Er blätterte eilig darin. Dann zeigte er Karl Siebrecht ein Bild. »Erkennst du die Leute darauf, erinnerst du dich ihrer noch?«
    Der junge Mann sah wortlos auf das Bild. »Doch«, sagte er dann langsam. »Diese Leute kenne ich. Ich erinnere mich ihrer noch.«
    Er betrachtete den Mann mit dem glatten Schädel, er sah das junge Mädchen an, erkannte es wieder, obwohl es keine gedrehten Locken mehr trug.
    »Das sind Gollmers«, sagte Karl Siebrecht und sah den Herrn von Senden nicht an, sondern das Bild.
    War der Rittmeister denn hellsichtig? Erst hatte er von der halben Ehe gesprochen, in der der eine liebt und der andere sich die Liebe gefallen läßt, dann hatte er dieses Bild von Gollmers hervorgesucht, als wisse er von den heimlichen Spazierfahrten in den verlassenen Grunewaldgarten.
    Aber der Rittmeister war wohl nicht hellsichtig, er war ahnungslos, er mußte es sein. Er hatte nur von der eigenen Ehe gesprochen, und jetzt sagte er: »Eigentlich müssen dir vor ein paar Monaten die Ohren geklungen haben, Karl. Gollmers haben mich im Sommer auf ein paar Wochen besucht, wir sind ja weitläufig verwandt. Er hat nach dir gefragt. Gott sei Dank konnte ich ihm keine Auskunft geben, er wäre nicht zufrieden mit dir gewesen, Karl.«
    »Nein, das wäre er wohl nicht«, sagte Karl Siebrecht gedankenvoll und betrachtete das Bild in seiner Hand. »Er sieht viel älter aus …«
    »Er hat schwere Sorgen gehabt, der Mann. Seine Tochter, die Ilse – du kennst sie ja wohl auch –«
    »Ja, ich kenne sie auch.«
    »Also die Ilse hat sich im Krieg was an der Lunge weggeholt, es sah ziemlich aussichtslos aus. Gollmer hat alles aufgegeben und ist mit dem Mädchen in der Welt herumgezogen, von einem Sanatorium ins andere, von einem Arzt zum anderen. Sie ist ja sein einziges Kind, und er hat es geschafft, wie er alles schafft, was er will. Die Ilse ist wieder ganz gesund, im Frühjahr kommen die beiden nach Berlin zurück …«
    »So, im Frühjahr …« antwortete Karl Siebrecht, und plötzlich fühlte er, daß er es bis zum Frühjahr auch schaffen mußte, daß er dann nicht als Taxichauffeur dastehen durfte. »Ich danke Ihnen, Herr von Senden«, sagte er und gab das Bild zurück. »Ich habe auch manchmal an Herrn Gollmer gedacht. Ich habe sogar nach ihm in seinem Geschäft gefragt. Aber da wußten sie nichts von ihm.«
    »Ich werde ihm schreiben, daß ich dich getroffen habe.«
    »Nein, schreiben Sie es ihm lieber nicht«, bat Karl Siebrecht. »Ich denke, ich werde ihn im Frühjahr selbst sehen.«
    »Schön«, sagte der Rittmeister gleichgültig. »Schreiben wir ihm also nicht. Du siehst es wie eine Bewährungsfrist an, was, mein Sohn?«

74. Kalli empört sich

    Es war gegen neun Uhr abends, als Karl Siebrecht nach Haus kam, das Taxi stand schon, auf ihn für den Nachtdienst wartend, vor der Tür. Rieke und Kalli hatten aber nicht auf ihn gewartet, sie hatten schon zu Abend gegessen, auf einer Ecke des Tisches war noch für ihn gedeckt. Er sagte guten Abend, und sie antworteten ihm darauf, es klang wider in der Stube, und dann wurde es still. Er stand plötzlich so leer da, er war voll von Entschlüssen, er war besten Willens gewesen, nun war alles wie fortgeblasen. Rieke stand auf. »Ick will dein Essen warm machen«, sagte sie und ging bis zur Tür. Aber dann konnte sie es doch nicht über sich bringen, sie blieb stehen, sie sagte leise: »Ick finde, du übertreibst det jetzt, Karle! Mittagssagste, du jehst bloß mal schnell telefonieren, und abends um neune kommste nach Haus! Det nenne ick übertrieben.«
    »Entschuldige, Rieke«, sagte Karl Siebrecht schuldbewußt. »Du hast vollkommen recht. Ich hatte den

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