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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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seine Hand genommen und streichelte sie. »Det is noch nich so schlimm. Andere leben schlimmer. Es is keen Verjnüjen, det is wahr, aber ick sehe ja, dir macht et ooch keen Vajnüjen, du wärst ooch jerne anders.«
    So redete Rieke, und so war sie: unbestechlich, rein wie Gold, unwandelbar in ihrer Liebe und Geduld. Was konnte er ihr von all dem Dunkeln sagen, das in seiner Brust vorging? Nichts! Manchmal haßte er sie fast wegen ihrer geduldigen Liebe, es wäre so viel leichter für ihn gewesen, wenn sie sich mehr Blößen gegeben hätte! »Ach, Rieke«, sagte er. »Ich weiß nicht mehr aus noch ein. Ich bin ziemlich verzweifelt.«
    »Det kommt noch anders«, sagte sie tröstend. »Wart man ab. Lange kann det nich mehr so weiter jehen mit dem Dollar. Und wenn wir erst wieda richtijet Jeld haben, kommen ooch wieda richtije Zeiten, wo du wat vornehmen kannst.« Ihr gesunder praktischer Sinn kam immer mehr zum Durchbruch. »Und, Karle, wat, du jibst dir heute recht Mühe, det de een bißcken Jeld nach Haus bringst! Wir sind mächtig knapp. Die Garage ist zwei Monate im Rückstand, und an de Tankstelle wollen se Kallin ooch nischt mehr pumpen. Schaff een bißchen an, Karle, sei freundlich zu die Leute!«
    Und so saß er denn auch an diesem Abend wieder am Steuer des Taxi, wie alle Abende. Er hatte vorgehabt, zum Händler Engelbrecht zu gehen und ihn um irgendeine regelmäßige, feste Arbeit zu bitten. Jetzt konnte er es wieder nicht. Er kam nicht von seiner Kette los, er rüttelte an ihr, aber sie hielt ihn. Er kam nie wieder frei.

75. Bruch mit Rieke

    Ein paar Tage später aber erfuhr Karl Siebrecht, daß es doch eine Stelle bei Rieke gab, wo sie verletzlich war, sogar sehr leicht verletzlich, und daß ihre Geduld sehr wohl zu erschöpfen war – mit ihrer Liebe mochte es nun bestellt sein, wie es wollte.
    Er schlief noch, es war gegen Mittag, als Rieke in das Zimmer kam und sagte: »Da is ’ne junge Dame, die dir sprechen will, Karle!«
    »Eine junge Dame?« fragte er, noch halb verschlafen. »Was denn für eine junge Dame? Ich kenn keine junge Dame!« Aber dann fiel ihm doch eine junge Dame ein, an die er häufiger gedacht hatte, als gut war, deren Bild er vor ein paar Tagen in der Hand gehalten hatte, und er wurde rot.
    Rieke hatte es wohl gesehen. Während er anfing, sich eilig anzuziehen, sagte sie: »Sie sagt, sie heißt Hertha Eich. Du wüßtest schon –«
    »Hertha Eich –?« fragte er verständnislos. Aber dann fiel ihm sein nächtlicher Fahrgast ein. »Ach, das ist das junge Mädchen, das ich neulich in der Nacht, wie die Geschichte mit Kalubrigkeit war, nach Haus gefahren habe. Ich habe dir davon erzählt. Wie kommt sie nur auf meine Adresse?« – Dazu sagte Rieke nichts, sie beobachtete ihren Mann schweigend. – »Nun«, sagte er leichthin, »ganz gleich, woher sie meine Adresse hat, sie wird das Fahrgeld bringen. Sie hat in der Nacht damals nämlich nicht bezahlt, Rieke, es ging alles ein bißchen sehr durcheinander.«
    »Det Fahrjeld könnte sie mir nu ooch jeben, darum broochte ick dir nich zu wecken«, sagte Rieke mißmutig. »Aba nee, sie will partuh mit dir sprechen!«
    Damit ging sie aus dem Zimmer, und er beeilte sich mit dem Anziehen. Er hatte gehofft, das junge Mädchen in der Stube allein zu finden, aber Rieke, die sonst um diese Zeit ihre Küche besorgte, saß am Fenster und stichelte an einem Kleid herum. Sie sah hoch, als er hereinkam, und er merktewohl, daß sie sowohl seinen Sonntagsanzug wie den besten Schlips notierte. Dann senkte sie wieder den Kopf.
    Hertha Eich hatte schweigend auf einem Stuhl neben dem Tisch gesessen. Nun stand sie auf und sah ihn ernst an. Sie war größer, als er gedacht hatte, sehr schlank, das Gesicht war blaß und das Haar dunkel. »Sie haben mich neulich nachts aus der Weißen Maus nach Haus gefahren, Herr Siebrecht? Es war doch die Weiße Maus?«
    »Doch«, sagte er und reichte ihr die Hand. »Es war die Weiße Maus. Aber woher in aller Welt wissen Sie meinen Namen und meine Adresse?«
    »Vom Polizeipräsidium. Wir haben dorthin gemußt wegen unsers Mieters, des Herrn Franz. Das heißt, er hieß dann nicht Franz, sondern Kalubrigkeit. Woher haben Sie das nur gewußt?«
    »Ich kannte ihn von früher. Ich habe mal bei ihm gearbeitet.«
    »Ja, so. Es war also ein reiner Zufall, daß Sie ihn trafen, bloß, weil Sie mich nach Haus fuhren?«
    »Es war reiner Zufall«, bestätigte er.
    Sie schwiegen beide.
    Dann sagte sie leise: »Ich hätte Sie gerne einmal

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