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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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vielleicht entdeckt man auch das. Er hat einen Haufen Menschen betrogen, viel wird auch im besten Fall nicht auf den einzelnen kommen! Weißt du, daß ich vor der völligen Pleite stand, Karl?«
    »Aber Sie haben doch Ihr Gut in Bayern, Herr von Senden?!«
    »Mit reichlich Hypotheken verziert – Kalubrigkeit war sehr für Hypotheken. Und ich bin kein Landwirt, ich bin nur ein Grundbesitzer. Mein Gut kostet alle Monate einen Haufen Geld. Nein, nun werde ich es verkaufen und endlich wieder etwas Richtiges anfangen. Hast du vielleicht Arbeit für mich, Karl?« Herr von Senden lächelte. Sein Haar war nun ganz weiß geworden, aber die dunklen Brauen waren noch so schwarz wie je, und in den Augen lag mehr Licht als früher.
    »Ich habe keine Arbeit mehr zu vergeben«, sagte Karl Siebrecht bedrückt. »Ich bin nur ein Chauffeur mit einem Drittel Autotaxi …«
    »Und verheiratet bist du auch, wie ich an deinem Ring sehe!« sagte der Rittmeister. »Du hast mir viel zu erzählen! Weißt du was, Karl, wir werden jetzt zusammen essen gehen. Ich werde sogar Sekt auffahren lassen. Ich habe heute eine ganz altmodische, operettenhafte Vorliebe für Sekt …«
    Sie blieben den ganzen Nachmittag zusammen. Der Herr von Senden hatte eigentlich noch auf das Präsidium fahren und der Herr Siebrecht seine Frau benachrichtigen wollen. Beide kamen nicht dazu, sie hatten einander viel zu erzählen. Sie aßen zusammen in einem Lokal, und hinterher kochten sie sich in der wüsten Wohnung des Herrn von Senden einen Kaffee. Es machte ihnen ungemeinen Spaß, auf Entdeckungsreisen auszugehen, sie suchten nach Kaffee und Büchsenmilch, nach Tassen, Löffeln und Tauchsieder. Sie hatten ihre Jacketts abgeworfen und liefen in Hemdsärmeln herum, als hätten sie ungeheure Arbeiten zu bewältigen. Mit der Zeit verwandelten sie die eingemottete Wohnung in ein Chaos, und dabei redeten sie, pfiffen sie, sangen sie, waren albern und gleich darauf ernst …
    »Du bist auch in die Verwirrung geraten wie wir alle, Karl«, sagte der Rittmeister. »Einmal wolltest du Berlin erobern – und was tust du jetzt? Lauter Kleinkram! Einmal haßtest du alles Halbe – und jetzt sitzt du nur in Halbheiten und kannst dich nicht frei machen.«
    »Was soll man denn aber anfangen?«
    »Irgendeine vernünftige Arbeit, bei der man mit Lust und Liebe ist! Jedenfalls nicht ein schlechter Taxichauffeur sein! Ich werde wohl zur Reichswehr gehen. Hättest du nicht Lust, mitzukommen? Wäre das nichts für dich?«
    Karl Siebrecht schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Rittmeister. Aber ich sage noch immer Rittmeister …«
    »Sage es nur ruhig weiter, es hört sich alt und vertraut an. Ich will froh sein, wenn sie mich dort als Rittmeister einstellen!Diese Sache mit dem Kalubrigkeit hat mir doch einen Stoß versetzt! Den Hof in Bayern verkaufe ich, jetzt stelle ich mich wieder auf meine eigenen Beine! Wir können nicht ewig herumsitzen und schmollen, weil wir vorläufig einen Krieg verloren haben! Übrigens lasse ich mich auch scheiden.«
    »So!« sagte Karl Siebrecht nur.
    Der Herr von Senden sah scharf zu ihm herüber. »Nicht so, wie du denkst!« rief er. »Nicht etwa, weil sie die Schwester vom Kalubrigkeit ist! Sondern weil wir schon seit vielen Jahren keine richtige Ehe geführt haben. Wir waren uns schon lange darüber klar, daß wir auseinander wollten, nur hat man in dieser verfluchten Zeit ja alles hinschleppen und verliedern lassen.« Er stand auf, er ging ein paarmal in der Stube auf und ab. Dann brannte er sich eine Zigarette an. Leichthin, ohne den jungen Freund anzusehen, sagte er: »Im übrigen ist meine Frau ganz anders, als du dir vermutlich einbildest, mein Sohn. Sie hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihrem Bruder. Ich habe sie einmal sehr gern gemocht, aber dann habe ich mich von ihr fortgelebt. Es genügt nicht, daß der eine Teil liebt. Der ist dann immer der Schwächere, verzichtet, opfert … Auf die Dauer macht es gemein, solche Opfer anzunehmen. Es entwürdigt beide, die, welche liebt, und ihn, der sich die Liebe gefallen läßt …« Er stand einen Augenblick da, als horchte er auf etwas. »Sagtest du was, Karl?« fragte er dann.
    »Nein, nichts«, antwortete Karl. Jedes Wort, das der ältere Freund da eben gesagt hatte, hatte sich in seine Seele eingebrannt, jedes Wort war wie für seine Ehe gesprochen, und er hatte dem Rittmeister doch kaum etwas erzählt!
    »Komm mal, ich will dir etwas zeigen, Karl«, sagte der Herr von Senden und ging ihm

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