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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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keine Veranlassung, in Geldsachen den Großmütigen zu spielen.«
    »Ich nehme das Geld nicht.«
    »Weißt du, was wir dann tun? Dann ziehen wir die Scheidungsklage zurück! Wir wollen nämlich keine großmütigen Geschenke von dir. Was bist du doch für ein Held, Karl! Noch keine zehn Minuten, da hast du mir versichert, du willst alles tun, was nur möglich ist, um die Trennung zu erleichtern. Und nun willst du schon das Geld nicht nehmen, das dir einfach zusteht, bloß, weil du einen hochmütigen Sparren hast.«
    Karl Siebrecht stand einen Augenblick unentschlossen da. Dann nahm er die Feder und unterschrieb hastig die Quittung. »Danke schön«, sagte Kalli Flau, stand auf und nahm seine Koffer.
    »Einen Augenblick, Kalli«, sagte Karl Siebrecht. »Eines muß ich dir doch noch erklären: was ich auch getan und gesagt habe, ich habe nie etwas gesagt und getan, um Rieke absichtlich zu quälen. Ich bin so, wie ich bin; ich habe gesagt und getan, was ich nach meiner Veranlagung tun mußte, und ich habe dabei nicht immer nur an mich gedacht …«
    »Ja«, sagte Kalli Flau unversöhnlich. »Ich weiß das längst: du hast immer vor dir recht, Karl.« Damit ging Kalli Flau.

88. Eine Heilspredigt des Herrn von Senden

    Er hatte nun Geld, der Anteil an dem Taxi hatte ihm fünfzehnhundert Mark gebracht, er besaß beinahe zweitausend Mark. Er hätte sich einen zweiten Lastwagen mit einer tüchtigen Anzahlung auf Raten kaufen können. Er hatte auch mit dem Dienstmann Bösicke gesprochen, der schon vor dem Krieg für ihn gefahren hatte, der Mann war willens. Aber er konnte sich nicht entschließen. Solange er derart in der Luft hing, mit soviel wilden Konkurrenten zu kämpfen hatte, keinerlei Autorität hinter ihm stand, war das Risiko zu groß.
    Es war Juli geworden, es war Reisezeit. Er hatte stramm zu tun, jede Woche wuchs die Summe auf seinem Sparbuch. Aber dann kam eine schreckliche flaue Zeit, die Stadt erlahmte in Hitze und Gestank, in London wurde verhandelt, die Dawes-Anleihe hatte Aussichten – er holte Geld von der Kasse. Für nichs und wieder nichts hielt er an den Bahnhöfen … Da kam wieder die Versuchung über ihn, endlich den versprochenen Anruf zu machen. Du lieber Gott, was war schließlich dabei? Er wollte nichts von dem Mädchen, das Mädchen war ihm völlig gleichgültig, es war nur die Verbindung mit dem Vater, dem mächtigen Eich. Man mußte in diesen Zeiten jede Möglichkeit benutzen, warum nicht einmal anrufen –?
    Und er rief doch nicht an. Er stand zehnmal vor dem Automaten und rief doch nicht an. Die Trennung von Rieke, die schreckliche Nacht in dem Absteigehotel, die letzte Aussprache mit Kalli steckten ihm in den Gliedern: Die Frauen bringen mir nun einmal kein Glück. Ich will nichts mehr mit Frauen zu tun haben! Ja, Gerti – aber auch Gerti hatte ihn gehen lassen, war nicht mit ihm gekommen! Nun war seine Scheidung ausgesprochen, er war wieder ein freier Mann. Aber er fühlte sich nicht frei – nachts träumte er von Rieke. Dann sah er sie daliegen, wie damals.
    Schließlich hielt er es nicht mehr aus, er vertrug dieses ewige Schweigen nicht mehr, dieses Sitzen in seinem kahlen Zimmer,diese ewige Mühle in seinem Kopf, die nur Vergangenes mahlte und immer wieder mahlte: Beschuldigungen, Entschuldigungen, Rechtfertigungen – endlos! Immer wieder! Er mußte wieder mit einem Menschen sprechen! Er ging zu Herrn von Senden. Er wohnte jetzt gar nicht weit ab, in der Artilleriestraße, nahe bei seiner Kaserne.
    Der Rittmeister war in Uniform, er sah frischer und lebendiger aus, nichts mehr von Blasiertheit und näselndem Ton. »Da bist du also auch wieder einmal, mein Sohn Karl!« sagte er vergnügt. »Setze dich und stecke dir eine Zigarette an! Was, du rauchst noch immer nicht? Gewöhne es dir an, Karl, gewöhne dir um des Himmels willen ein paar kleine Schwächen an! Die Menschen ohne kleine Schwächen haben meist einen großen Fehler!« Er folgte dem Blick seines Besuchers und lachte: »Ja, hier hause ich! Ein paar alte Sachen aus der Kurfürstenstraße – du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin ohne all den Trödel. Es ist herrlich, wieder ein freier Mann zu sein!« Er warf sich in einen Sessel und schlug die Beine über, aber von Seidenstrümpfen war nichts zu sehen. Der Herr Rittmeister trug wieder lange Reitstiefel aus Lackleder, die wie angegossen saßen. »Und dann der Dienst, Karl, was für eine Freude mir der Dienst macht! Aus dem Chaos wieder etwas schaffen! Ich sage

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