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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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liebenswürdiger und geduldiger Gatte gewesen bist, aber das sind viele Männer nicht, und die Ehen halten doch. Ihr habt nicht zueinander gepaßt – daraus kannst du dir keinen Vorwurf machen. Kein richtiger Mann verträgt so was; wenn er geliebt wird, will er auch wiederlieben können,sonst reißt er aus. Du bist ausgerissen – und das war richtig!«
    »Meinen Sie das wirklich, Herr von Senden? Oder sagen Sie es nur, um mich zu trösten? Ich sehe sie da noch immer liegen, es sah wirklich schrecklich aus …«
    »Ach was!« rief der Rittmeister fast ärgerlich. »Ich nehme an, du hast im Kriege noch viel Schrecklicheres daliegen sehen und bist doch darüber weggekommen! Das Leben ist doch kein Friedensverein! Man muß sich und anderen manchmal wehe tun, sonst kannst du nach Indien ziehen und deinen Nabel beschauen. Dann tust du niemandem weh. Nimm dich und deine Angelegenheiten nur nicht so verdammt wichtig. Es wächst über alles Gras, und meistens sehr schnell.« Er überlegte einen Augenblick, dann sagte er: »Ich will dir aber erzählen, was mit dir los ist, mein Guter. Ich kenne das, denn ich habe es selber an mir erlebt: du kannst einfach nicht mehr allein leben! Das bekommt dir nicht, da gerätst du in Grübelei und Gewissensbisse. Du mußt reden können, dich aussprechen. Überlege einmal, wie lange ist es her, daß du ganz allein gelebt hast?«
    »Ich bin aber nicht einmal vier Jahre verheiratet gewesen!«
    »Ach, Fliegentüten, ich frage dich doch nicht, wie lange du verheiratet warst, ich frage dich, wie lange es her ist, daß du ganz alleine für dich gelebt hast! Nun sitzt du da in deiner nackten Höhle bei der verwitweten Krabuschke, oder wie sie heißt, und guckst deine Wände an, und deine Wände gucken dich an. Das ist ja trostlos! So was bist du einfach nicht gewöhnt, außerdem muß man zum Einsiedler geboren sein, und das bist du nicht. Mein Lieber, du bist ein junger Mann und siehst gut aus, warum in aller Welt gehst du nicht hin und suchst dir eine kleine Freundin?«
    »Ich habe kein Glück mit Frauen!« sagte Karl Siebrecht abweisend, konnte es aber nicht hindern, daß er zum dritten Mal rot wurde.
    »Armleuchter!« sprach der Rittmeister voll Verachtung. »Du doppelter, siebenarmiger, mit Fransen behängter Armleuchter!Du hast kein Glück mit Frauen? Weil du dir einmal die Pfoten verbrannt hast, sagst du stolz: nein, diese Suppe esse ich nicht; ich esse meine Suppe nicht! Nochmals Armleuchter! Und wenn du dir zehnmal die Pfoten verbrannt hättest, so solltest du erst recht losgehn und es ein elftes, zwölftes und ein dreizehntes Mal versuchen! Mensch, Karl, Knabe Karl, schrecklicher Knabe Karl – deine Jugend sollte ich haben! Es laufen so wunderbare Mädchen in der Welt herum – mit jedem Jahr, das ich älter werde, finde ich, daß immer reizendere Mädchen in Berlin herumlaufen! Du willst ein moderner junger Mann sein? Du solltest als Eremit in die Thebais gehen und dich auf eine Säule stellen, immer auf einem Bein. Die Vögel sollen in deinem Kopfhaar nisten, und von unten her sollen dich die Läuse auffressen. Da gehörst du hin! Ich habe kein Glück mit Frauen … ach, du armer, kleiner Hanswurst, du! Wenn du wenigstens gesagt hättest, die Frauen haben kein Glück, mit dir! In solch einem Satz hätte wenigstens Sinn und Verstand gelegen! Aber dies – es ist doch einfach nicht zu glauben. Und wir leben im Jahre des Heils neunzehnhundertvierundzwanzig.«

89. Nächtliche Aussprache im Tiergarten

    Eigentlich war die Predigt des Herrn von Senden doch klar und verständlich gewesen: Karl Siebrecht sollte sich eine kleine Freundin suchen, die ihm bei der Vertreibung seiner Gewissensbisse behilflich sein konnte. Und Siebrecht glaubte auch, die Predigt und ihren Sinn völlig erfaßt zu haben. Darum ging er keine hundert Schritte in der Artilleriestraße weiter, sondern trat sofort in eine Gastwirtschaft, trank pro forma einen Schnaps und verlangte das Telefonbuch. Die Nummer war rasch gefunden, der Apparat stand auf der Theke, die braven Bürger tranken dort ihre Mollen, mit Körnern untermischt, er hob ab und verlangte die Nummer. »Ja wohl , hallo! Ist dort Eich? Ich möchte Fräulein Hertha Eich sprechen. Wer da ist? Ja, verstehen Sie mich denn nicht? Ichmöchte Fräulein Hertha sprechen, ich werde ihr schon sagen, wer da ist! Schön, ich warte!«
    Da stand er, Energie im Herzen, die Bürger umher kümmerten ihn nicht, seine Hemmungen waren vergessen. So mutig hatte ihn die Predigt

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