Ein Mann will nach oben
verdammt schwierig, sage ich Ihnen!«
»Sehen Sie nicht manchmal Ihre Kollegen von der Direktion?« fragte Karl Siebrecht, erschüttert von dem Verfall seines alten Gönners.
»Ach die!« sagte Herr Kunze verächtlich. »Das sind ja alles Betrüger! Die haben mich schön reingelegt! Wissen Sie, wie ich meine Pension gekriegt habe in der Inflation? Vierteljährlich! Nachträglich! Manchmal haben meine Frau und ich nicht das Essen für zwei Tage von der Pension eines Vierteljahres kaufen können! Alle Ersparnisse meines ganzen Lebens habe ich darangesetzt, alles Silber und alle Wäsche verkauft – und gehungert haben wir doch! Immer haben wir gehungert! Da habe ich mir das mit dem Zusammensetzen von Bildern angewöhnt, wenn man sich da richtig reinkniet, vergißt man das Grübeln und auch sogar den Hunger.«
»Aber Sie werden doch wieder arbeiten, Herr Kunze!« rief Karl Siebrecht. »Ich hol Sie mir. Ich habe wieder angefangen,Gepäck zu fahren, vorläufig noch in ganz kleinem Maßstab. Aber ich will es vergrößern. Ich suche jetzt Verbindung mit jemand von der Direktion, der etwas von meiner früheren Arbeit weiß und der mich ein wenig fördern kann. Ich brauche nur eine Chance, die Arbeit will ich dann schon allein tun. Wissen Sie niemanden, Herr Kunze?«
»Nein«, sagte Herr Kunze und schüttelte trübe den Kopf. »Ich weiß niemanden, und ich will mit denen auch nichts mehr zu tun haben.«
»Das ist schade«, sagte Karl Siebrecht und gab Herrn Kunze die Hand zum Abschied. »Aber ich beiße mich schon durch. Ich habe das sichere Gefühl, wir arbeiten noch zusammen!«
Der Regierungsrat schüttelte den Kopf: »Nie! Und eigentlich finde ich meine Zusammensetzspiele jetzt auch ganz hübsch. Wenn Sie irgendwo bunte Bilder in Zeitschriften finden, dann schicken Sie sie mir!«
Siebrecht ging schon, da fiel ihm noch etwas ein. »Hören Sie mal, Herr Kunze, kennen Sie einen gewissen Herrn Eich bei der Direktion?«
»Eich?« sagte Herr Kunze und zeigte zum ersten Mal etwas mehr Leben. »Eich –? Und ob ich den kenne! Kennen Sie ihn denn?«
»Ich kenne ihn nicht, aber ich kenne jemand Verwandtes von ihm. Hat der da was zu sagen?«
»Und ob der was zu sagen hat! Eich – du lieber Himmel, wenn Eich nichts zu sagen hat, hat keiner mehr was zu sagen!«
»So«, sagte Karl Siebrecht gedankenvoll. »Danke schön, Herr Kunze. Ich will mir den Fall mal überlegen.«
Er überlegte ihn sich manchen Tag, aber er konnte sich nicht entschließen, den Hörer abzunehmen und nach Fräulein Hertha Eich zu fragen. Nur nicht wieder mit den Frauen anfangen, dachte er. Frauen bringen mir bloß Unglück …
87. Abschied von Kalli Flau
Eines Tages, als Karl Siebrecht am Stettiner Bahnhof hielt, kam von einer dort wartenden Autotaxe der Chauffeur auf ihn zu. »Tag, Kalli!« sagte Karl Siebrecht und sah von seinem Lastwagen auf den Freund herunter.
»Tag, Karl!« antwortete der und streckte zögernd die Hand empor. Die beiden gaben sich die Hand. »Nun, wie geht das Geschäft?« fragte Kalli, ziemlich verlegen.
»Flau«, sagte Karl Siebrecht. »Das Geld ist verdammt knapp. Und bei dir?«
»Dito. Eine Bar nach der anderen macht zu. Ich habe die Dinger nie ausstehen können, aber das Nachtgeschäft ist kaputt.«
Einen Augenblick betrachteten sich die beiden stumm. Dann fragte Karl Siebrecht leise: »Wie geht es – Rieke?«
»Och …« antwortete Kalli nur. Und dann eiliger: »Bist du heute abend zu Haus? Wo wohnst du? Ich möchte dir gerne deine Sachen bringen.«
»Doch ja, ich bin zu Haus.« Karl Siebrecht sagte seine Adresse.
»Schön, dann bin ich gegen neun bei dir. Bis dahin!«
»Bis dahin, Kalli! Ich bin froh, daß ich dich wieder mal gesehen habe!«
»Dito!« sagte Kalli, etwas belebter. Und leise: »Du, Karl …«
»Ja, Kalli –?«
»Wenn du was möchtest … aus der Wohnung … du verstehst? Irgendein Andenken …«
»O nein, Kalli! Das möchte ich doch nicht!« Er besann sich. Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Oder doch! Ich weiß aber nicht …«
»Nun was denn? Wenn es irgend geht, werde ich es schon machen.«
»Erinnerst du dich, Kalli, an die drei Borsten aus dem Besen vom alten Busch? Ich bekam sie gerade an dem Tag, als ich die Kanalljenvögel von Gollmer kaufte! Wenn ich diebekommen könnte – wir haben sie doch fürs Büro unter Glas bringen lassen!«
Kalli Flau schien etwas enttäuscht. »Wenn es weiter nichts ist«, sagte er. »Ich dachte eigentlich – na ja, ist schon gut. Ich will mal sehen, wo
Weitere Kostenlose Bücher