Ein Mann will nach oben
ihn mit einem so verzweifelten Augenverdrehen an, daß er lachen mußte. »Wirklich! Ich arbeite. Zehn Mark soll ich die Woche kriegen – was kriegst du, Edwin?«
Edwin seufzte, sehr schwer. »Ick nehm dir’s nich ab. Von meinswejen, wenn de dir partuh insauen willst! Aber desterwejen schnüffelste doch nischt raus!«
Und nun fingen sie wirklich an, die Kokskörbe herumzuschleppen, Glut von einem in den anderen zu tragen, mit einem Blasebalg loszufauchen, neue Feuerung in Körben aus dem Keller heraufzuholen. Es war eigentlich eine vergnügliche Arbeit, der Polier hätte Schlimmeres und Schwereres für Karl Siebrecht finden können. Der Koks prasselte so angenehm in den Körben, die rote Glut leuchtete und wärmte so freundlich in der kalten Novemberluft, friedlich ächzte und knarrte das Leder des großen Blasebalges, während freundliche Wärme Karls Gesicht und Hände bestrich … Und nun hinein in die eisig pfeifende Zugluft der Treppen und Gänge, an den offenen Fenstern vorbei, hinab in die schwarze, naßkalte Höhle der Kokskeller, den Korb gefüllt und wieder hinauf im Trab zu der Wärme, der sanften Glut, dem behaglichen Ächzen.
Wenn nur dieser verfluchte Zwerg, dieser Edwin nicht gewesen wäre! Immer wieder, mitten in der Arbeit, im schönsten Laufen fing er an: »Sag es mir doch: wer hat dir jeschickt? Bloß, det ick es weiß!«
Bis es Karl Siebrecht zu dumm wurde und er ärgerlich rief: »Du mußt ein verdammt schlechtes Gewissen haben, Edwin, daß du mit dem Quatsch nicht aufhörst! Nun halt endlich den Mund, oder ich erzähle wirklich dem Polier, wie du mir hier zusetzt mit deinem Gefasel!«
Von da an schwieg der langarmige Zwerg völlig. Er trennte sich sogar von Karl, wies ihm ein Stockwerk zu, das er allein besorgen sollte – und doch ertappte ihn Karl immer wieder, wie er schweigend unter einer Tür stand und mit hängenden Armen und verdrehten Augen ihn beobachtete, als könne er aus solchem Beobachten erraten, welche Bewandtnis es nun wohl mit seiner neuen Hilfskraft habe. Und einmal überraschte Karl Siebrecht den Zwerg dabei, wie der sich seine Joppe vorgenommen hatte. Er hatte sie sich über die Knie gelegt und fingerte mit seinen schwarzen Pfoten in der Brieftasche herum.
Das war nach der Frühstückspause gewesen. Karl hatte sie benutzt, um schnell noch einmal zu den Trockenmietern herumzuspringen, ob sie wohl noch Hilfe gebrauchten. Oh, sie gebrauchten schon Hilfe! Jetzt lag die Frau, völlig erledigt, im Bett, zitternd, am ganzen Leibe fliegend, und der Mann mühte sich ab, die verquollenen Fenster zu schließen, im Herd mit einer zerschlagenen Kiste Feuer zu machen und seiner Frau etwas Warmes aufzusetzen. Karl Siebrecht hatte sich nicht lange besonnen. Das bißchen Kistenholz war nur wie ein rasch aufflammendes, gleich wieder zusammenfallendes Papierfeuer, er holte von drüben aus »seinem« Keller einen Arm voll Anmachholz und einen Korb Kohlen, ohne viel Nachdenken, ob das nun auch »zulässig« war. Es schien ihm »recht«, und es war ihm ganz egal, daß der Buckel dabei zusah. Es war ihm auch egal, daß die beiden Trockenmieter ihm für sein Tun nicht mit einem Wort dankten, daß der Mann sogar noch sagte: »Ick habe dir nich darum jebeten, det weeßte, du!« Karl Siebrecht hatte es nicht um Dank getan.
Aber als er da nun bei seiner etwas verspäteten Rückkehr aus der Frühstückspause den Zwerg Edwin mit seiner Brieftasche in den Kohlenpfoten fand – und in der Brieftasche war doch, neben manchem Gleichgültigen, die Aster der Erika Wedekind –, da hatte ihn Zorn erfaßt. Noch keine vierundzwanzig Stunden, und die kleine Stadt und die unbeschwerte Jugend waren so fern gerückt, so fern. Aber die Erika Wedekind, die saß fest in ihm, mit ihrem zutraulichen, halboffenen Kindermund – wie oft hatte er während der Arbeit nach einem bayrischen Jodler »Riariatiritiro!« gesummt, und hatte doch nicht den Jodler gemeint … Er riß dem Edwin die Brieftasche aus der Hand und schrie ihn an: »Nun ist aber Schluß mit deiner Schnüffelei, Edwin! Wenn ich dich noch einmal bei so was erwische, gibt’s Krach!«
Der Buckel schien sich aber endlich davon überzeugt zu haben, daß hinter der neuen Hilfskraft nichts anderes steckte als eben eine neue Hilfskraft. Er stand ohne Verlegenheit auf und sagte nur mürrisch: »Bei wem det wohl kracht, duNeuer?! Mach lieber, det de nach deinem Feuer siehst, det verschmookt ja allens! Und übahaupt – es is bald ’ne Viertelstunde nach
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