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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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doof, der zahlt’s ja! Alles mein Geld! Wo hast du denn gesteckt über Frühstück?«
    »Ich war bei den Trockenmietern nebenan –« fing Karl Siebrecht an, der seinen Entschluß gefaßt hatte. Er hatte diesen Unternehmer Kalubrigkeit vom ersten Sehen an gehaßt.
    »Bist du stille von den Trockenmietern, Junge!« schrie der Polier.
    »Und was war bei den Trockenmietern?« fragte Herr Kalubrigkeit fast sanft.
    »Stille biste, Jung!«
    »Schande war da«, sagte der Junge fast feierlich. »Schande für Sie und Tod für die Leute! Die Frau ist schon beinahe hinüber, und der Mann wird’s auch nicht mehr lange machen. Die Wände sind naß, nicht ganz so wie hier, wo’s schon so schön trocken ist, Herr Chef, aber noch so, daß die Hand feucht wird, wenn man drüber wischt. Und die Fenster sind so verquollen, daß sie nicht auf-noch zugehen. Die Frau ist ein paarmal umgefallen, jetzt hustet sie sich die Seele aus dem Leibe.«
    »Und er hat denen ’nen janzen Korb Koks und zwei Arme voll Anmachholz rüberjeschleift«, krächzte der Zwerg.
    »Das habe ich!« rief der Junge. »Aber ich will’s bezahlen, Herr, ich will gar nicht, daß Sie’s denen schenken! Herr«, wandte sich Karl Siebrecht an den Langen mit den dunklen Augen, »Sie sehen doch anders aus – wie können Sie es mit anschauen, daß die Menschen in diesen nassen Löchern verrecken?«
    »Mein lieber Freund«, sagte der Herr, aber ein wenig verlegen, trotz aller Sicherheit. »Ich fürchte, wir sind beide gleich wenig geeignet, die soziale Frage zu lösen …«
    Sein Schwager, der Unternehmer Kalubrigkeit, unterbrach ihn. Mit einem wahren Schrei stürzte er sich auf den Jungen. »Aber das ist ja ein Anarchist! Das ist ja ein roter Leuteaufhetzer! Raus! Raus aus meinem Bau! Auf der Stelle runter von der Baustelle! Und er wird wegen Diebstahls angezeigt! Nein, er wird nicht angezeigt! Ich will keinen Krach in den roten Blättern haben. Schmeißen Sie ihn doch raus, Polier! Machst du, daß du fortkommst, Bengel! Oder ich schmeiße dich eigenhändig die Treppe runter!«
    »Wieviel«, fragte Karl Siebrecht in kaltem Zorn, »wieviel kostet es?«
    »Was?! Was redet er? Was will er?«
    »Was Koks und Holz kosten – ich möchte es Ihnen bezahlen, Herr Kalubrigkeit!«
    »Schmeißen Sie die Trockenmieter auch raus! Er soll sehen, was er erreicht mit seiner Frechheit! Den Busch schmeißen Sie auch raus, Polier! Und Sie –«
    »Mich schmeiß ich auch raus, jawohl, Chef!«
    »Davon hab ich kein Wort gesagt! Das möchten Sie, mitten aus der eiligsten Arbeit, kurz vorm Frost! – Ist der Junge noch nicht weg?!«
    »Also geh, mein Sohn«, flüsterte der lange Herr nahe bei Karl Siebrecht. »Du bringst deinen Freunden nur Unheil. Ich werde nach ihnen sehen. Und heute nachmittag, vier Uhr, Kurfürstenstraße zweiundsiebzig, Senden. Behältst du das?«
    »Ja.«
    »Also mach, daß du fortkommst!« – Und Karl Siebrecht ging – von seiner ersten Arbeit.

10. Reue

    »Da hast du es!« hatte der Polier recht böse gesagt, als Karl Siebrecht frisch gewaschen in seiner Joppe von der Baustelle ging. »Den Busch habe ich eben auch rausgeschmissen, wie ein gestochenes Kalb hat er mich angesehen. Wie ich den Mann kenne, sitzt er in der nächsten Destille, und da bleibt er auch hocken, bis der letzte Groschen alle ist. Wenn du kannst, dann nimmst du ihn mit, aber das kannst du nicht.«
    »Wo sitzt er denn wohl?« hatte Karl Siebrecht gefragt.
    »Bei der Haltestelle von der Straßenbahn. Im Grünen Baum heißt es. Aber er wird wohl nicht mit dir gehen.« Der Polier hatte sich ein wenig beruhigt. Plötzlich streckte er dem Jungen die Hand hin: »Na also, Jung, dann mach’s gut! Denk bloß nicht, ich verstehe dich nicht. Ich verstehe dich ganz gut. Der Kalubrigkeit ist ein Aas! Jetzt ist er bei den Trockenmietern. Na, laß ihn, du siehst ja, was unsereiner ausrichtet!«
    »Da muß ich eben etwas werden, wo man was ausrichten kann«, sagte der Junge entschlossen.
    Der Polier lachte, aber grimmig. »Vergiß nicht, was du dir da vornimmst! Das ist ein langer Weg bis dahin, da kann man leicht was vergessen.«
    »Ich danke Ihnen auch, Polier!« hatte der Junge gesagt und war von der Baustelle gegangen.
    Einen Augenblick hatte er noch nach dem Neubau hingesehen, in dem die Trockenmieter saßen, jetzt wohl bedrängt von Herrn Bauunternehmer Kalubrigkeit. Der Hafer stach Siebrecht noch immer: er wäre zu gerne hinübergegangen und hätte denen geholfen, irgendwie. Nur daß er jetzt wußte, daß

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