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Ein Mörder kehrt heim

Ein Mörder kehrt heim

Titel: Ein Mörder kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Vernehmung nach Vernehmung. Da war Bommi Baumann ein kleines Licht. Georg, der Oberterrorist, wie er sich sah. Als Kopf, wenigstens künftiger Kopf. Von ihm stammten die Konzepte, die Strategie, die Planung, und er hatte die Argumente.
    Â»Der Typ war größenwahnsinnig«, sagte Twiggy.
    Â»Von wann ist das?«, fragte Dornröschen.
    Twiggy blätterte zurück. »1985«, sagte er. »Eingereist über Schönefeld. Gar nicht verhaftet. Freiwillig.«
    Â»Er hat freiwillig ausgepackt?«, fragte Matti.
    Â»Das war eigentlich kein Verhör, sondern ein Gespräch unter Genossen, die in taktischen Fragen unterschiedlicher Meinung waren. Bei allem Respekt«, erklärte Twiggy.
    Â»Das war, nachdem Albrecht & Co. sich in der DDR zur Ruhe gesetzt hatten. Die wurden ja alle brave Genossinnen.«
    Twiggy las weiter, Matti las mit.
    Dornröschen stellte sich hinter sie und lehnte sich auf ihre Schultern. Sie erntete einen strengen Blick vom Schreibtisch, aber sonst folgte nichts. Sie steckte ihren Kopf zwischen die Köpfe der beiden anderen und flüsterte. »Georg war IM , und die Genossen gaben ihm das Gefühl, wichtig zu sein. Versteht ihr?«
    Â»Und Georg missversteht es als Einladung zum Größenwahn«, sagte Matti. Er überlegte. »Er hatte ein bisschen was Größenwahnsinniges.«
    Â»Man muss sich für was Besonderes halten, wenn man glaubt, man dürfe andere Leute töten«, flüsterte Twiggy.
    Und Matti dachte an die Zeit, als sie selbst beinah abgetaucht wären. Wenn man mal im Untergrund lebt, kommt man schwer wieder zurück ins Leben. Eine Tat rechtfertigt die nächste. Wenn man die kommende Aktion ablehnte, war die vorherige auch falsch gewesen. Es bedurfte einer Erschütterung, um aus der Wahnkette auszubrechen. Festnahme, Verzweiflung. Am Ende schießt man, weil die Bullen einen jagen. »Der Mann in Uniform ist ein Schwein. Und natürlich darf geschossen werden.« Meinhofs Freibrief schon neunundsechzig. Er konnte sie auswendig aufsagen, alle diese Sprüche. Man war so gut, und die anderen waren so schlecht, dass sie eigentlich keine Menschen mehr waren. »Die klammheimliche Freude« über den Buback-Mord. Wenn es die Richtigen traf, war es gerecht. Er sah diese Akten, als wären sie eine Anklageschrift gegen ihn selbst. Was Georg da erzählte, das hatte er auch erzählt. Er war kein Stück besser als dieser Typ, der sich selbst ermächtigte, über andere zu richten. Und der sich so sicher war in seinem Urteil und seiner Ausnahmestellung, dass er sie sogar töten durfte. Oder musste, weil sie doch Schweine waren. Ihn unterschied von Georg nur, dass er zu feige gewesen war, den letzten Schritt zu gehen. Er erinnerte sich gut dieses Gefühls, dass er eine Linie hätte überschreiten müssen, hinter der es kein Zurück gab ins normale Leben. Er hatte sich die Linie bildlich vorgestellt.
    Am feigsten fand er nicht sich selbst und all jene, die im letzten Augenblick die Kurve bekommen hatten. Sondern die, die nie abgetaucht waren, die nie daran gedacht hatten, nun aber zu den Bewunderern der Stadtguerilla gehörten. Ihr hymnische Bücher und Bilder widmeten. Filme der Verehrung. Theatermacher, deren Revolution auf der Bühne begann und aufhörte. Leute, die das Leben als Lieblinge des bürgerlichen Kulturbetriebs genossen, eine folgenlose Provokation an die andere reihten, um den gebildeten Kreisen ein bisschen Grusel zu verschaffen.
    Ihn grauste Georgs selbstgerechtes Geschwafel, das sich über mehr als hundert Seiten hinzog. Vor allem grauste ihn er selbst. Die Stasi-Vernehmer taten nichts, um Georg von seiner Maßlosigkeit zu befreien. Denen mussten am Ende die Ohren geglüht haben. Die revolutionäre Version des Besserwessis.
    Der W. schätzt zwar die sozialen Errungenschaften der DDR und unterstreicht, dass seine Bewegung und die Kommunisten gemeinsame Feinde hätten, aber er hält die sozialistische Revolution für unvollendet. Er verweist wortreich auf Dutschke, der erklärt habe, dass in den Ländern des realen Sozialismus die materiellen Voraussetzungen für einen wirklichen Sozialismus viel weiter entwickelt seien als im Kapitalismus.
    Â»Wir gehen in den Vorbereitungsraum, ja?«, fragte Dornröschen. Sie sah noch bleicher aus als sonst.
    Dort setzte sie sich aufeinen Stuhl. Sie war erschöpft.
    Twiggy tigerte im Raum umher.
    Â»Es ist heftig«,

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