Ein mörderisches Komplott (German Edition)
Pistolenholster um,
zog die Lederjacke über und lenkte vorsichtig seinen alten Vauxhall durch den
Nebelschleier nach Nairn zu Turners Landhaus.
Der 28-jährige DS Edward Hastings war wegen seiner guten
Leistungen – besonders im Umgang mit Schusswaffen – erst kürzlich vom regulären
Polizeidienst zum CID versetzt und DCI Paul O’Brien als Assistent zugetelt
worden. Die neue Aufgabe fesselte ihn ungemein. Allerdings bestand von Anfang
an ein etwas angespanntes Verhältnis zwischen ihm und dem Chief Inspector, der
meist in barschem Tonfall seine Dienstanweisungen erteilte. Dass O’Brien sich
ständig über anderer Leute Haartracht mokierte, ließ ihn mittlerweile kalt. Er
vermutete, dass hier ein wenig Neid mit im Spiel stand. Edward Hastings war
nämlich Bergsteiger und Extremkletterer; er pflegte viele Wochenenden mit
seiner Freundin in den Berghängen des Ben Nevis (höchster Berg
Großbritanniens) zu verbringen. Zu extremsportlichen Betätigungen wie Freeclimbing (Felsklettern ohne jedes Hilfsmittel) war sein Chef schon wegen seiner
Leibesfülle niemals fähig. Andererseits war ihm bewusst, dass er von O’Brien
noch viel lernen konnte, zumal er hin und wieder berechtigte Rügen wegen eines
Fehlverhaltens einstecken musste.
Hasting war nicht gerade begeistert, nach Feierabend zu
einem Einsatzort dirigiert zu werden, zumal er aus der Stimme seines
Vorgesetzten eine gewisse Schadenfreude heraushörte.
Noch immer hüllten Wolken die Küstenregion ein, die reinste
Suppe war das heute. Richard Turner hatte zum Glück eine genaue Wegbeschreibung
geliefert und Hastings fand das Landhaus auf Anhieb; die gewaltige Eiche war
trotz der getrübten Sichtverhältnisse nicht zu übersehen. Seinen Wagen parkte
er in einiger Entfernung und näherte sich vorsichtig dem aus dunkelgrauem
Granitgestein errichteten Gebäude, wobei ihm der dichte Smog eine gute Deckung
bot.
Langsam bewegte er sich auf das nur silhouettenhaft
erkennbare Haus zu. Das vom Nebeldunst reflektierte Streulicht des Mondes
verlieh der Landschaft einen gespenstisch weißen Schimmer. Einen Augenblick
verharrte Hastings regungslos hinter einem mannshohen Ginsterstrauch, bis er
sich schließlich hervorwagte. Die Haustür war nur angelehnt. Auf leisen Sohlen
betrat er die in völligem Dunkel liegende Diele. Er hielt den Atem an, aber
nicht der geringste Laut war zu vernehmen. Sich behutsam vortastend erreichte
er die in das obere Stockwerk führende Treppe. Plötzlich unterbrach der
schrille, synchrone Klang zweier Telefone die Stille: › Ring-ring ‹
ertönte es sowohl aus nächster Nähe, wie auch von der oberen Etage her. Nur
einmal, ganz kurz. Dann trat wieder Totenstille ein. Hastings wandte sich der
Stelle zu, von der das Läuten herrührte. Nervös tasteten seine Finger über das
glatte Holz der Wandvertäfelung, dann stieß seine rechte Hand an den in
Augenhöhe angebrachten Telefonapparat. Er erschrak heftig, als erneutes
Schrillen jetzt direkt an sein Ohr drang. Wieder gab es nur diesen einen
Doppelklang. Nimmt denn keiner ab? , fragte er sich. Turner müsste
doch im Haus sein. Warum nur ist alles dunkel hier? Er verharrte neben dem
Telefon und lauschte angestrengt nach oben, aber nichts war zu hören. Bis zum
Hals hinauf fühlte er das Pochen seines Herzens. Da! Es läutete zum dritten
Mal. Zaghaft nahm er jetzt den Hörer von der Gabel und wurde Zeuge eines kurzen
Gespräches:
»Hallo?«
»Bist du
es, Dick?«
»Na klar,
wer denn sonst!«
»Ist er
tot?«
»Ja,
mausetot! «
»Wann ist
es passiert?«
»Vor etwa
einer Stunde.«
»Okay!.
Wann sehen wir uns?«
»Später.
Ich will ihn gleich wegschaffen. Melde mich wieder!«
Dann wurde aufgelegt. Weil die Rede von einem Toten war,
galt es äußerst vorsichtig zu sein. › Wer war der Mann da oben? Turner? Oder
gar sein Mörder? Und wer war der angeblich Ermordete, wo befand sich seine
Leiche? Hoffentlich kommt O’Brien bald nach‹ , waren seine Gedanken. Er
wandte sich wieder der Treppe zu. Leise stieg er sie hinauf, bis er den oberen
Treppenabsatz erreichte. Das schwache Mondlicht schimmerte durch eine nur einen
schmalen Spalt geöffnete Zimmertür. Vorsichtig schob er sie auf und sah in ein
Schlafzimmer. Auf Zehenspitzen betrat er den finstren Raum, als sich ein
schemenhafter Schatten von einem Bett löste und zum Fenster hin bewegte. Aber
anscheinend war seine Anwesenheit noch nicht bemerkt worden, denn die dunkle
Gestalt pfiff leise vor sich hin.
DS
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