Ein Moment fürs Leben. Roman
aus Respekt vor Ediths Strauß drehte ich mich um und ging, wobei ich mit meinen nackten Füßen, die auf dem Boden klebten, ein lautes Quietschgeräusch erzeugte. In der Küche lud ich die Blumen in der Spüle ab, schaute, was an Essbarem herumstand, naschte ein bisschen und ging schließlich wieder in den Garten hinaus. Vater war schon draußen und begrüßte seine Söhne mit kernigem Händedruck und tiefer Stimme, gefolgt von einer dreifachen Demonstration der Männlichkeit, bei der sie herzhaft in Fasanenschenkel bissen, klirrend ihre Zinnkrüge aneinanderstießen, die eine oder andere Brust befummelten, sich schließlich den Sabber vom Mund wischten und zufrieden rülpsten. Zumindest in meiner Phantasie. Dann nahmen sie Platz.
»Du hast Lucy noch gar nicht begrüßt, Schatz! Sie hat eine Vase für die wunderschönen Blumen gesucht, die sie uns mitgebracht hat.« Mum lächelte mich wieder an, als wäre ich für alles Gute in der Welt verantwortlich. Im Lächeln war sie wirklich eine große Meisterin.
»Ich hab sie schon im Haus gesehen.«
»Oh, das ist ja schön«, zwitscherte Mum und studierte mich. »Hast du eine Vase gefunden?«
Ich sah zu Edith hinüber, die gerade die Brötchen auf den Tisch stellte. »Ja, die in der Küche neben dem Mülleimer«, antwortete ich lächelnd, damit sie denken musste, dass ich die Blumen in den Müll geworfen hatte. Was ich natürlich nicht gemacht hatte, aber ich nahm sie gern ein bisschen auf den Arm.
»Ah, genau dahin, wo dein Essen schon gelandet ist«, gab Edith süßlich lächelnd zurück. Mum schaute verständnislos drein. »Wein?«, fragte Edith die anderen und sah absichtlich durch mich hindurch.
»Nein, ich muss fahren«, antwortete ich trotzdem, »aber Riley möchte gern ein Glas von dem Rotwein, den er Vater mitgebracht hat.«
»Riley muss auch fahren«, sagte Vater in die Runde.
»Ein Gläschen könnte er schon vertragen.«
»Angetrunkene Fahrer gehören ins Gefängnis«, blaffte Vater.
»Letzte Woche hat es dich nicht gestört, dass er etwas getrunken hat«, sagte ich und versuchte dabei, nicht aggressiv zu klingen, was mir nicht gelang.
»Letzte Woche war auch dieser kleine Junge noch nicht durch die Windschutzscheibe geflogen, weil der verflixte Fahrer betrunken war.«
»Nein, Riley, das hast du nicht wirklich gemacht?«
Geschmacklos von mir, ich weiß, aber irgendwie sollte es das wohl sein, ich wollte Vater provozieren, der nun ein Gespräch mit seiner Mutter begann, als wäre ich gar nicht da. Riley schüttelte ungläubig den Kopf, aber ich war nicht sicher, ob wegen meines unangebrachten Witzes oder weil er sich nicht an Vaters kostbarem Wein laben konnte, aber auf jeden Fall hatte er die Wette verloren. Riley griff in die Hosentasche und gab mir einen Zwanzigeuroschein. Das brachte unseren Vater dazu, sein Zwiegespräch mit seinem besten Freund, der Distanz, endlich doch zu unterbrechen und unsere Transaktion missbilligend zu beobachten.
»Ich hatte Schulden bei ihr«, erklärte Riley.
Da niemand am Tisch glaubte, dass ich in der Lage war, jemandem Geld zu leihen, änderte das aber nichts an der Sache, dass ich wieder einmal als die Dumme dastand.
»Nun«, setzte Mum an, als Edith fertig aufgetragen hatte und wir alle saßen. Sie sah mich an. »Aoife McMorrow hat letzte Woche geheiratet. Will Wilson.«
»Oh, da freue ich mich aber für sie!«, sagte ich enthusiastisch und stopfte mir ein Brötchen in den Mund. »Wer ist Aoife McMorrow?«
Riley lachte.
»Sie war mit dir im Stepptanz-Unterricht.« Mum sah mich an; sie schien völlig überrascht davon, dass ich meine Stepptanz-Bekannte aus der Zeit, als ich sechs war, vergessen hatte. »Und Laura McDonald hat letzte Woche ein kleines Mädchen bekommen.«
»Ia-Ia-ho«, sang ich.
Riley und Philip lachten. Sonst niemand. Mum hätte gerne mitgelacht, aber sie verstand den Witz nicht.
»Ich bin ihrer Mutter gestern auf dem Biomarkt begegnet, und sie hat mir ein Foto von der Kleinen gezeigt. Ein süüüüßes Baby. Einfach zum Anbeißen. Jetzt ist Laura verheiratet und Mutter, alles in einem Jahr, stell dir das mal vor.«
Ich lächelte verkniffen und spürte Rileys angestrengten Blick auf mir ruhen, der mich dringend ersuchte, den Mund zu halten.
»Das Baby hat viereinhalb Kilo gewogen, Lucy, ist das nicht unglaublich?«
»Jackson hatte auch über vier Kilo«, warf Philip ein. »Luke drei Komma acht und Jemima drei Komma neun.«
Alle sahen ihn an und taten so, als wäre diese Information
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