Ein neues Paradies
einem letzten Abstieg über die Leitern stand er an der Bohrstelle. Der Ingenieur Vollmar trat ihm aufgeregt entgegen.
»Herr Engelhardt, ich glaube, durch die Lava sind wir glücklich hindurch. Heut früh begann das Wasser weißschäumig aus dem Bohrloch zurückzufließen. Auch machte der Bohrer viel schnellere Fortschritte. Ich habe Sie danach sofort telefonisch angerufen. Inzwischen aber ist der Bohrer um volle zehn Meter vorwärts gekommen. Es scheint, als ob wir wirklich Karbid gefaßt haben, als ob das Wasser da unten eine Zersetzung einleitet. Die oberflächliche chemische Untersuchung ergibt in der Tat Kalkwasser und Blasen eines brennbaren Gases. Ich habe den Wasserzufluß sofort nach dem Auftreten der ersten Erscheinungen abgestellt und den Bohrer trocken weiterarbeiten lassen.«
»Gut so«, unterbrach ihn Rudolf Engelhardt. »Immerhin sind einige Kubikmeter Wasser im Bohrloch und werden in das Karbid eine gehörige Höhle fressen. Nun vor allen Dingen schweres Teeröl heran, damit wir das Wasser herausspülen und unter dem Schutz des Öles einige Bohrproben zu Tage fördern.« Die nächsten vierundzwanzig Stunden verflossen für Rudolf Engelhardt in fieberhafter Arbeit. Das Wasserrohr, das bis dahin frisches Spülwasser in das Bohrloch geliefert hatte, mußte seiner ganzen Länge nach bis über Tage vom Wasser entleert und an einen Teerölbehälter angeschlossen werden. Dann begann das schwere Teeröl durch das Rohr in die Tiefe zu fallen, und nach einer Stunde quoll es breiig und schlammig neben dem Rohrgestänge wieder hervor. Aber schon waren inzwischen Behälter aufgestellt worden, in denen dieses Öl aufgefangen und von den Chemikern der Studiengesellschaft sofort untersucht wurde. Jede Spur von Wasser hatte sich inzwischen dort unten mit dem Kalziumkarbid verbunden. Kalkschlamm war in der Tiefe zurückgeblieben. Azetylengas war durch das Bohrloch nach oben entwichen. Jetzt begann das Teeröl den Kalkschlamm aufzurühren und ebenfalls mit nach oben zu reißen. Dick und weiß legte sich die schlammige Brühe in die Bottiche. Dann floß das Öl klarer, und endlich kam es so klar wieder heraus, wie es in das Bohrgestänge hineingelassen wurde.
Jetzt ließ Engelhardt den Bohrer wieder arbeiten und entdeckte, daß der Widerstand zwar geringer geworden war als die vorangegangenen sechzehnhundert Meter, daß aber immer noch reichlich viel Widerstand vorhanden war. Und dann wurde der Ölstrom wieder angelassen und förderte den Bohrschmand als ein schwärzliches, im Öl suspendiertes Pulver zu Tage. Die Stunden verstrichen und immer noch stand Rudolf Engelhardt am Bohrort und betrachtete die zu Tage tretende dunkel getrübte Ölflut, während die Chemiker bereits in einem anderen Bottich das klare Öl vom Bodensatz abzogen, den Bodensatz zusammenkratzten und in Platinschalen sammelten.
Dann wurde im Laboratorium der ölige Schlamm zunächst einmal in der blauen Flamme der Bunsenbrenner geglüht, damit jede Spur von Öl daraus entfernt wurde. Und dann … es war am Mittag des zweiten Tages … stand Rudolf Engelhardt vor einer mit Wasser gefüllten Maßflasche und brachte mit einer Pinzette einzelne Stückchen jener dunklen porösen Masse unter das abschließende Quecksilber der Wanne, um sie danach frei emporsteigen zu lassen. Sowie jene Stückchen aber in das Wasser der Maßflasche traten, begannen Sie alsbald gewaltig zu gasen und dabei immer kleiner zu werden, während das Wasser sich weißlich färbte. Dann drehte Rudolf Engelhardt einen Hahn auf, zündete ein Streichholz an und gleich danach strahlte das hellweiße Azetylenlicht aus einem Schmetterlingsbrenner.
Die letzten Zweifel waren behoben. Am Nachmittag des 15. Juli wußte Rudolf Engelhardt, daß er in fünftausendeinhundert Meter Teufe das als sicher vorhanden vermutete Karbidlager auch tatsächlich erbohrt hatte. Nur zur größeren Sicherheit ließ er den Bohrer noch bis in den August hinein weiterarbeiten und hundertfünfzig Meter Mächtigkeit des Karbidlagers bohrtechnisch feststellen. Um die Mitte des August konnte er die Gesellschafter der Studiengesellschaft zusammenrufen und ihnen die Ergebnisse der bisherigen Bohrung sowie die Vorschläge für weitere Arbeiten unterbreiten.
Drei Jahre sind seit jener Sitzung des Aufsichtsrates der Studiengesellschaft ins Land gegangen. Für Rudolf Engelhardt waren es in der Hauptsache ruhige Zeiten, in denen er von quälender Verantwortung frei sein Leben genießen konnte. Während der Schöpfer
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