Ein neues Paradies
hunderttausend Pferdestärken liefert die nötige Energie und betreibt unter anderem ein Pochwerk mit tausend Stempeln, das den geförderten Quarzstein sofort zu feinem Sand zerpochen kann. Hundert Brechwerke sperren begierig ihre gefräßigen eisernen Mäuler auf und harren des Quarzsteines, den sie in Brocken bis zu Kürbisgröße verschlucken, um ihn auf Apfelgröße zerkleinert an die Pochwerke weiterzugeben. Die alte ehemalige Kohlenwäsche ist in eine moderne Amalgamierungstation umgewandelt, woselbst der von den Pochwerken kommende goldhaltige Quarzsand über Quecksilber strömt und den größten Teil seines Goldes als Goldamalgam an das Quecksilber bindet. Und schließlich bemerken wir ganz neue Anlagen, die Zyanidbottiche, in denen der Sand, nachdem ihm das Quecksilber bereits den größten Teil seines Goldes entrissen hat, noch einmal der Zyanlauge ausgesetzt und von den letzten Goldspuren befreit wird. Nach den besten Erfahrungen der südafrikanischen Goldminen ist alles eingerichtet.
In der Zentrale steht Rudolf Engelhardt, begleitet von Professor Meißner und umgeben von den Herren des Direktoriums der neuen Grube ›Else-Tiefbau‹. Denn die Studiengesellschaft hat einstweilen aufgehört zu bestehen. Eine neue Erwerbsgesellschaft ›Else-Tiefbau‹ hat sich gebildet, und schon jetzt sind die Kuxe dieses neuen Unternehmens, noch bevor sie öffentlich gehandelt werden, unter der Hand stark gefragt.
Ein Wink von Rudolf Engelhardt und die Dampfturbinen gehen an. Ein neuer Wink und die mächtigen Generatoren der Station beginnen ihren Lauf. Schalthebel werden eingeschlagen und das Netz steht unter Spannung. Fünf Minuten später beginnt ein Poltern und Krachen vom Brecherbau her. Die elektromotorisch angetriebenen Brecher sind eingeschaltet worden und zerkauen mit ihren mächtigen stählernen Kinnbacken die erste Ladung Quarzgestein. Und wieder eine halbe Stunde später mischt sich in das Krachen der Brecher das dumpfe Poltern der Stampfwerke. In rastlosem Spiel beginnen die Stempel von je zehn Zentner Gewicht auf und ab zu tanzen und zerpochen die Quarzbrocken, die ihnen vom Brecherwerk her in stetem Strom zufließen, zu feinem Mehl.
Die neue Grube ist in Betrieb, und zu einem kleinen Festmahl vereinigen sich die Direktoren danach im Zechenhaus.
»Ich denke«, so bemerkt Geheimrat Großmann, »der neue Goldbau wird uns mehr einbringen, als es die alte Kohle jemals vermochte.«
»Ich halte es für sehr bedeutungsvoll, daß Deutschland dadurch vom englischen Goldmonopol unabhängig wird«, äußert sich der Bankdirektor Tischler. »Wir können jeden Tag recht gut zweitausend Tonnen Quarz fördern. Die Tonne Gestein enthält nach unseren Analysen bis zu siebzehn Gramm Gold. Rechnen wir durchschnittlich fünfzehn Gramm, so haben wir eine tägliche Ausbeute von dreißig Kilogramm Gold. Bei unserer heutigen Valuta ist das Kilogramm Gold dreitausend Mark wert, so daß wir auf neunzigtausend Mark Goldausbeute im Tag gelangen. In dreihundert Arbeitstagen können wir also für siebenundzwanzig Millionen Mark Gold fördern. Fürwahr ein schöner Anfang.«
»Aber doch nur ein Anfang«, unterbricht Rudolf Engelhardt den Redner. »Bedenken Sie, meine Herren, daß wir den Quarzbau erst auf einer Sohle in Angriff genommen haben. Allein in den hundert Metern Tiefe, die unser Schacht jetzt durch den Quarz fährt, können wir vier weitere Sohlen anlegen und kommen damit auf über hundert Millionen Goldausbeute im Jahr. Das ist immerhin schon etwas. Eine Goldausbeute, die unserer Volkswirtschaft wohltun wird. Aber es ist nur ein kleiner Anfang, denn wir wollen ja weiter bohren. Ich persönlich halte diese Goldgewinnung für gänzlich überflüssig und bedauere die Arbeit, die wir hier aufwenden, um Unmengen von Urgestein einige Gramm Gold zu entreißen. Aber wir machen es und müssen es machen, solange das Gold einmal internationaler Wertmesser ist, solange nicht Energieträger das rote Metall verdrängen. In diesem Sinn heiße ich den Goldbau willkommen. Aber nur als Einnahmequelle, die es uns ermöglichen soll, nun weiter zu graben, bis wir die wahren Schätze der Tiefe, die Karbidlager, erreicht haben.«
Darauf wurde vereinbart, die alte Studiengesellschaft wieder aufleben zu lassen und sofort mit zehn Millionen Mark auszustatten. Es wurde ferner beschlossen, fünf vom Hundert des Reingewinnes der neuen Grube ›Else-Tiefbau‹ der Studiengesellschaft dauernd zuzuführen, und schließlich festgesetzt, daß die
Weitere Kostenlose Bücher