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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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konnten, und dann setzten sie sich hin und verzehrten sie so schnell wie möglich.
    Die ganze Zeit beobachteten ihre großen Augen, um zu sehen, wohin die andern Heuschrecken hüpften, und um sich zu vergewissern, daß keiner der Gefährten mehr erhielt, als ihm gerechterweise zukam. Nachdem der letzte saftige Bissen verschluckt war, machten sie sich flugs an die Jagd nach den übrigen Insekten. Binnen kurzem gab es keine einzige Heuschrecke mehr im Käfig, und ein paar Beine und Flügel lagen verstreut auf dem Boden. Die Buschbabies aber waren davon nie überzeugt, sondern sie verbrachten noch eine spannende Stunde damit, jede Ritze und jeden Spalt im Käfig zu untersuchen, in der Hoffnung, einen dieser Leckerbissen irgendwie übersehen zu haben.
    Jeden Abend räumte ich den Käfig der Buschbabies vor Sonnenuntergang auf und ersetzte das schmutzige Laub mit einer großen Handvoll frischer Kräuter. Die Buschbabies liebten es, ein großes Heubündel auf dem Boden des Käfigs zu haben, denn sie sprangen gern dazwischen herum und verbrachten viel Zeit mit der Suche nach nicht vorhandenen Insekten, die sich ihrer Überzeugung nach dort verstecken mußten.

    Als ich ihnen eines Abends wie gewöhnlich das Heu brachte, legte ich rein zufällig eine langstielige Blume mit hinein, die einer goldenen Zinnie ähnelte. Als ich einige Zeit später am Käfig vorbeikam, sah ich mit Verwunderung den einen Galago mit der Blume in der einen Hand auf den Hinterbeinen sitzen; langsam biß er die Blütenblätter ab und verzehrte sie. Den flaumigen Mittelteil der Blume warf er weg, und sogleich stürzte sich einer seiner Gefährten darauf und begann damit zu spielen. Zuerst warf er die zerrupfte Blume in die Luft, dann jagte er sie und «tötete» sie im Winkel, wie er es mit einer Heuschrecke gemacht hätte. So echt sah das aus, daß einer der andern wohl dachte, er hätte tatsächlich eine Heuschrecke, und hinüberging, um die Sache zu untersuchen. Der glückliche Sieger lief mit der Blume im Mund davon, die beiden andern jagten hinterdrein, und es endete damit, daß alle auf dem Boden des Käfigs übereinander purzelten. Als der lustige Kampf sein Ende fand, war die Blume in Stückchen zerfetzt, die überall verstreut lagen. Das Spiel mit dieser Blume schien ihnen solchen Spaß zu machen, daß ich ihnen danach jeden Abend zwei oder drei Zinnien in den Käfig legte, worauf sie die Blütenblätter verzehrten und mit den Resten «Catch-as-catch-can» spielten.
    Obwohl ich dem Spiel der Buschbabies jeden Abend zusah und über ihre Geschwindigkeit und ihre anmutigen Bewegungen staunte, war mir nicht recht klar, was für gewaltige Sprünge sie bewerkstelligen konnten, bis eines von ihnen entwischte.
    Sie hatten ihre Mahlzeit beendet, und ich wollte gerade die leeren Teller aus dem Käfig nehmen, da hüpfte das eine Kerlchen plötzlich durch die Tür, kletterte an meinem Arm hinauf und sprang von meiner Schulter aufs Käfigdach. Ich griff nach seinem Schwanz, aber es schnellte hoch wie ein Gummiball und landete ganz am Rande des Käfigdaches, von wo es mich beobachtete. Langsam und vorsichtig rückte ich herum und griff rasch nach ihm, doch lange bevor meine Hand in seiner Nähe war, hatte es sich schon ins Weite geschwungen. Es sprang drei Meter weit und landete federleicht auf einer Mittelstange des Zeltes, an die es sich klammerte, als ob es daran festgeklebt wäre. Ich stürzte ihm nach, und es ließ mich ganz nahe herankommen, ehe es sich rührte. Dann hüpfte es unversehens von der Stange, machte einen Zwischenhalt auf meiner Schulter und sauste gleich darauf wieder aufs Dach eines anderen Käfigs. Ich jagte ihm ungefähr eine halbe Stunde nach, und je erhitzter und verärgerter ich wurde, destomehr schien es den Spaß zu genießen. Daß ich es endlich fing, war reiner Zufall. Der Ausreißer war von einem Stapel alter Kisten zu dem Moskitonetz über meinem Feldbett gesprungen, offenbar in der Annahme, daß das Netz eine feste Landungsfläche wäre. Natürlich gab das Netz unter seinem Gewicht nach, und in der nächsten Minute war er in den Maschen ganz verfangen. Bevor er sich herauswinden konnte, glückte es mir, hinzulaufen und ihn vorsichtig zu packen. Nach diesem Erlebnis war ich beim öffnen der Käfigtür sehr achtsam.

Viertes Kapitel

Kleine Banditen

    Jeder, der am Käfig neben den Buschbabies vorbeigekommen wäre und die erschreckenden Laute dort drinnen vernommen hätte, müßte annehmen, dort seien zwei Tiger oder ähnliche

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