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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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die Banditen ungefähr das gleiche an. Jeden Morgen ließ ich sie, nachdem ich sie gefüttert hatte, auf meinem Bett herumspazieren, bis mein Tee kam. Sie untersuchten das Bett sehr gründlich, wobei sie einander zugrunzten und zuquiekten, trabten auf und ab und steckten ihre lange rosa Nase in jede Falte der Bettücher, um sich zu vergewissern, daß dort nichts Eßbares verborgen war.
    An diesem Morgen lag ich im Halbschlaf, während die Banditen im Bett herumkletterten und auf der Decke Bergsteigerkunststücke vollführten. Plötzlich fühlte ich am Fuß einen peinigenden Schmerz. Ich fuhr in die Höhe und stellte fest, daß der eine Bandit beim Herumschnüffeln meinen Zeh aufgedeckt hatte. Er hielt ihn für eine Delikatesse, die ich für ihn versteckt hatte. Mit der üblichen Gier hatte er versucht, von meinem Zeh so viel wie möglich ins Mäulchen zu bekommen, und daran nagte er eifrig, entzückte Grunzlaute ausstoßend, als ich ihn am Schwanz packte und wegriß. Er ließ den Zeh höchst ungern los, ja, er schien sich sehr zu ärgern, daß er mitten in einer herrlichen Mahlzeit gestört worden war.
    Schließlich wurden die Banditen so groß, daß sie nicht mehr in einem Korb gehalten werden konnten, und ich mußte sie in einen Käfig überführen. Sie hatten nämlich in das Flechtwerk so große Löcher gebissen, daß es kaum mehr einen Korb für sie gab. Inzwischen waren sie imstande, aus einem Schüsselchen zu fressen, und sie erhielten, vermischt mit ihrer Milch, rohe Eier sowie feingehacktes Fleisch.
    Ich baute ihnen einen sehr hübschen Käfig, der ihnen durchaus gefiel. In dem einen Winkel stand ein Schlafhüttchen, der übrige Käfigraum wurde zum Füttern und Spielen benutzt. Zwei Türen, jede auf einer Seite des Käfigs, führten in den Schlafraum und auf den Spielplatz. Ich hatte gehofft, kein Ungemach mehr mit ihnen zu haben, sobald sie sich in ihrem neuen Heim eingewöhnt hatten, aber darin irrte ich mich gewaltig. Die Schwierigkeit bestand jetzt darin, sie zu füttern.
    Ihr Käfig stand ziemlich hoch über dem Boden auf einem ganzen Stapel anderer Käfige, die verschiedene Tiere beherbergten. Sowie die Banditen mich mit der Futterschüssel kommen sahen, brachen sie in lautes Gekreisch aus, drängten sich an der Tür zusammen und steckten die lange rosa Nase durchs Gitter. Die Aussicht auf ein Mahl brachte sie derartig in Aufregung, und jeder war so entschlossen, als erster ans Futter zu gelangen, daß sie sich, kaum hatte ich die Käfigtür geöffnet, quietschend und kreischend hindurchstürzten, mir die Futterschüssel aus der Hand schlugen und zu Boden plumpsten. Das ließ ich ihnen zweimal durch, weil ich dachte, daß sie nach dem zweiten Sturz so klug wären, nicht mehr hinauszurasen, sowie die Tür geöffnet wurde; aber dem war nicht so. Wie Raketen schossen sie hinaus, die Schüssel flog in die Luft, und sie landeten knurrend, wild um sich beißend auf dem Boden. Dann mußte ich sie aufheben und sie wieder in ihren Käfig setzen, mußte hingehen und eine neue Schüssel voll Nahrung zubereiten. Wenn sie derartig aufgeregt waren, mußte man sie außerdem sehr vorsichtig aufheben, denn sie bissen dann nach allem und jedem in Reichweite.
    Schließlich hatte ich es satt, die Banditen bei jeder Mahlzeit aus ihrem Käfig fallen zu sehen; deshalb heckte ich einen recht schlauen Plan aus. Wie gewohnt ging ich mit ihrem Futter zum Käfig, worauf sie sich bei der Tür zusammendrängten und auf den Augenblick warteten, wo sie hinausstürzen konnten. Ich aber ließ einen Gehilfen zum andern Ende des Käfigs gehen und an der Tür rütteln, die zu ihrem Schlafraum führte. Als sie das hörten, dachten sie, die Futterschüssel wäre dorthin gesetzt worden; kreischend und knurrend huschten sie durch den Käfig und verschwanden im Schlafraum. Wenn sie glücklich außer Sicht waren, mußte ich die andere Tür öffnen; daraufhin merkten sie, daß ich ihnen ein Schnippchen geschlagen hatte, und sie stürzten wieder aus dem Schlafraum hervor. Wenn ich dann meine Hand nicht draußen hatte, konnte es geschehen, daß sie sich an meinen Fingern festbissen.
    Diese Tierchen verursachten mir mehr Schwierigkeiten und versetzten mir mehr Bisse und Kratzer als alle andern Lebewesen, die ich gesammelt habe. Trotzdem mußte ich sie gern haben. Ich wußte ja, daß sie mich nicht aus Bosheit bissen, sondern einfach, weil sie mich in ihrer Erregung irrtümlicherweise für einen Teil ihrer Mahlzeit hielten. Doch manchmal wurde ich

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