Ein Ort für die Ewigkeit
mehr sie getragen sind, desto besser. Es geht auch ohne, aber es würde dem Hund helfen.«
»Ich werde mit Mrs. Hawkin sprechen«, warf George ein, bevor Lucas irgend jemandem die Aufgabe zuteilen konnte. Er glaubte nicht, daß einer der Uniformierten taktlos sein könnte, aber er wollte einfach eine weitere Gelegenheit, Alison Carters Mutter und ihren Mann zu beobachten.
Er ging in den warmen Mief der Küche zurück, wo Hawkin immer noch rauchend am Tisch saß. Er hatte jetzt eine Tasse Tee vor sich, genauso wie die Polizistin am anderen Tischende. Sie sahen beide auf, als er eintrat. Hawkin hob fragend die Augenbrauen. George schüttelte den Kopf. Hawkin schob die Lippen vor und rieb sich mit einer Hand über die Augen. George war erleichtert, daß der Mann nun tatsächlich Anzeichen von Sorge um das Schicksal seiner Stieftochter zeigte. Die Tatsache, daß Alison vielleicht wirklich in Gefahr war, schien also endlich in seinem völlig mit sich selbst beschäftigten Kopf Einzug zu halten.
Ruth Hawkin stand am Spülbecken und hatte die Hände in der Schüssel mit Spülwasser. Aber sie spülte nicht. Sie stand bewegungslos da und starrte in die ungebrochene Dunkelheit der Nacht hinaus. Der Mond beleuchtete nur schwach das Areal hinter den Häusern; so weit unten im Tal waren die Kalksteinklippen nah genug, um den Großteil des Mondlichts abzuschirmen. Draußen vor den Fenstern war nichts zu sehen außer einem schwachen, dunklen Umriß gegen das Grauweiß der Felsen. Wohl irgendein Nebengebäude, dachte George. Er überlegte, ob es schon durchsucht worden war. Er räusperte sich. »Mrs. Hawkin …«
Sie drehte sich langsam um. Sogar in der kurzen Zeit, seit sie in Scardale waren, schien sie gealtert zu sein, die Haut über den Wangenknochen schien fester gespannt, und die Augen lagen tiefer. »Ja?«
»Wir brauchen Kleider von Alison. Für den Spürhund.«
Sie nickte. »Ich hole etwas.«
»Der Hundeführer hat gesagt, vielleicht Schuhe und etwas, das sie ein paarmal getragen hat. Ein Pullover oder ein Mantel, würde ich sagen.«
Ruth verließ mechanisch, mit schlafwandlerischen Schritten den Raum. »Könnte ich noch einmal telefonieren?« fragte George.
»Aber bitte«, sagte Hawkin und wies mit der Hand zum Flur hin.
George ging hinter Ruth durch die Tür und zu dem altmodischen schwarzen Telefon auf einem kleinen runden Tisch neben einem Hochzeitsfoto mit der strahlenden Ruth und ihrem Mann. Hätte Hawkin nicht so unverwechselbar gut ausgesehen, hätte George die Braut vielleicht gar nicht erkannt.
Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, fühlte er die eisige Kälte. Wenn das Mädchen an solche Temperaturen gewöhnt war, hatte sie draußen eine bessere Chance, dachte er. Er sah Ruth Hawkin um die Biegung der Treppe verschwinden, als er den Hörer aufnahm und zu wählen begann. Es klingelte viermal, dann wurde abgenommen. »Buxton vier-zwei-zwei«, sagte die vertraute Stimme und ließ ihn sofort ruhiger werden.
»Anne, ich bin’s. Ich habe wegen eines Falls nach Scardale herausfahren müssen. Ein Mädchen ist verschwunden.«
»Die armen Eltern«, sagte Anne sofort. »Und du auch, daß du dich an einem solchen Abend damit befassen mußt.«
»Ich mache mir Sorgen um das Mädchen. Natürlich komme ich später. Das heißt, es kommt darauf an, was passiert, vielleicht komme ich heute abend überhaupt nicht mehr.«
»Du arbeitest zu hart, George. Es ist schlecht für dich, das weißt du doch. Wenn du bis zum Schlafengehen noch nicht zurück bist, mach ich dir ein paar Brote und stelle sie in den Kühlschrank, damit etwas zu essen für dich da ist. Aber daß sie auch verschwunden sind, bis ich morgen früh aufstehe!« sagte sie noch; ihre Ermahnung klang jedoch nur halb scherzhaft.
Wenn Ruth Hawkin nicht wieder auf der Treppe erschienen wäre, hätte er Anne gesagt, wie sehr er es mochte, daß sie sich so um ihn kümmerte. Statt dessen sagte er einfach: »Danke. Ich melde mich wieder, wenn ich kann«, und legte auf. Er ging zur Treppe, Ruth entgegen, die ein kleines Bündel gegen die Brust gedrückt hielt. »Wir tun alles, was wir können«, versicherte er ihr und wußte doch, daß sein Zuspruch unzulänglich war.
»Ich weiß«, sagte sie, breitete die Arme aus und zeigte ein paar Hausschuhe und ein zerknittertes Oberteil von einem Schlafanzug. »Würden Sie das dem Mann mit dem Hund geben?«
George nahm die Sachen und sah mit einem vagen schmerzlichen Gefühl, wie kläglich die blauen Schuhe aus
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