Ein Ort für die Ewigkeit
Gymnasium geschafft, trotz ihres Handicaps«, stellte George fest. »Und das ist mehr, wenn ich mich recht erinnere, als man über Sie sagen kann, Sergeant Clough.« Clough starrte den Chef an, der drei Jahre jünger war als er, sagte aber nichts. »Alison kam zur normalen Zeit von der Schule heim«, fuhr George fort. »Sie ging mit dem Hund spazieren. Seitdem sind sie beide nicht mehr gesehen worden. Das war vor fast fünf Stunden. Ich möchte, daß Sie in alle Häuser gehen und die Leute im Dorf befragen. Ich will wissen, wer sie zuletzt gesehen hat, wo und wann.«
»Es wird schon dunkel gewesen sein, als sie rausging«, sagte Cragg.
»Trotzdem könnte sie jemand gesehen haben. Ich will versuchen, den Kollegen mit dem Diensthund einzuholen, bei ihm werde ich sein, wenn Sie mich brauchen. Okay?« Als er sich abwandte, fuhr ihm plötzlich ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf. Er ließ den Blick über das Hufeisen der um die Wiese kauernden Häuser schweifen und wandte sich dann wieder Clough und Cragg zu. »Und vergewissert euch, daß in jedem Haus alle Kinder da sind, wo sie sein sollten. Ich will nicht, daß eine Mutter morgen früh einen hysterischen Anfall hat, wenn sie merkt, daß auch ihr Kind weg ist.«
Er wartete nicht auf die Antwort, sondern machte sich zu den Steinstufen auf. Kurz bevor er sie erreichte, verlangsamte er seinen Schritt, drehte sich um und sah, daß Sergeant Lucas die restlichen sechs Schutzpolizisten einwies, die er irgendwie zusammenbekommen hatte. »Sergeant«, sagte George, »da ist ein Nebengebäude, das man vom Küchenfenster des Gutshauses aus sieht. Ich weiß nicht, ob irgend jemand es sich schon angeschaut hat, aber es lohnt vielleicht, dort nachzusehen, nur für den Fall, daß sie doch nicht ihren normalen Spaziergang gemacht hat.«
Lucas nickte und machte mit dem Kopf eine auffordernde Geste zu einem der Polizisten. »Sieh mal nach, Junge.« Er nickte George zu. »Danke, Sir.«
Kathy Lomas stand an ihrem Fenster und beobachtete, wie die Dunkelheit den großen Mann in Regenmantel und Filzhut verschluckte. Von den Scheinwerfern des Autos angeleuchtet, das gerade bei der Telefonzelle angehalten hatte, schien er eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit James Stewart zu haben. Das hätte ein beruhigender Gedanke sein sollen, aber irgendwie machte er die Ereignisse des Abends nur noch unwirklicher.
Kathy und Ruth waren Cousinen, weniger als ein Jahr auseinander, mütterlicherseits und auch auf der Seite der Väter blutsverwandt. Sie waren Seite an Seite zu Frauen und dann zu Müttern geworden. Kathys Sohn Derek war nur drei Wochen jünger als Alison. Die Geschichte der Familien war unentwirrbar verwoben. Deswegen hatte die Angst Kathy, die von Derek alarmiert wurde, genauso heftig überfallen, als werde ihr eigenes Kind vermißt, als sie in Ruths Küche trat und ihre Cousine nervös auf und ab gehend, kettenrauchend und von Sorgen zermürbt vorfand.
Sie waren zusammen durchs Dorf gegangen. Zuerst waren sie noch überzeugt, Alison würde sich an einem Feuer gewärmt und nicht bemerkt haben, wie die Zeit verstrich, und würde dann voller Reue sein, daß sie ihrer Mutter Sorgen bereitet hatte. Aber als sie überall umsonst nachfragten, war diese Überzeugung zur Hoffnung geschrumpft, und aus Hoffnung war schließlich Verzweiflung geworden.
Kathy stand am dunklen Fenster des kleinen Vorderzimmers von Lark Cottage und beobachtete die Geschäftigkeit, die sich plötzlich in der trübseligen Dezembernacht entfaltete. Der Kriminalbeamte, der das Auto gefahren hatte und mit seinem lockigen, dicken Schädel wie ein Hereford-Bulle aussah, schob den Mantel hoch, um sich am Hintern zu kratzen, sagte etwas zu seinem Kollegen und kam dann auf ihre Haustür zu, wobei sein Blick in der Dunkelheit auf ihren zu treffen schien.
Kathy ging zur Tür und sah kurz in die Küche, wo ihr Mann sich auf eine Einlegearbeit zu konzentrieren versuchte, ein Bild von Fischerbooten in einem Hafen, das er fertig machen wollte. »Die Polizei ist da, Mike«, rief sie.
»Wird ja auch Zeit«, hörte sie ihn murmeln.
Sie öffnete die Tür in dem Moment, als der Hereford-Bulle die Hand hob, um zu klopfen. Sein bestürzter Blick wurde zu einem Lächeln, als er Kathys üppige Kurven bemerkte, die sogar unter ihrer Ärmelschürze noch sichtbar waren. »Sie kommen bestimmt wegen Alison«, sagte sie.
»Da haben Sie recht«, erwiderte er. »Ich bin Detective Sergeant Clough, und das ist Detective Constable Cragg.
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