Ein Ort für die Ewigkeit
fragte George.
Hawkin rückte seinen Stuhl zurück, dessen Beine auf den Steinplatten quietschten. Er zog eine der Schubladen am Küchentisch heraus und nahm eine Handvoll Fotos im Format 9 × 13 heraus. »Die hier habe ich im Sommer aufgenommen. Vor ungefähr vier Monaten.« Er beugte sich hinüber und breitete sie vor George aus. Das Gesicht, das ihn aus den fünf Porträtaufnahmen in Farbe ansah, war nicht eines, das er leicht wieder vergessen würde.
Niemand hatte ihn vorgewarnt, daß sie so schön war. Er fühlte, wie ihm der Atem stockte, als er auf Alison hinuntersah. Schulterlanges Haar von der Farbe reifen Honigs rahmte das ovale Gesicht mit blassen Sommersprossen ein. Der Schnitt ihrer blauen Augen hatte fast etwas Slawisches, sie lagen weit auseinander über der hübschen, geraden Nase. Sie hatte volle Lippen, ihr Lächeln ließ ein einzelnes Grübchen auf der linken Wange erscheinen. Der einzige Makel war eine Narbe, die sich schräg durch ihre rechte Augenbraue zog, eine dünne weiße Linie zwischen den dunklen Härchen. Auf jedem Foto hatte sie eine leicht unterschiedliche Haltung, aber ihr offenes Lächeln war unverändert.
Er blickte zu Ruth auf, deren Gesichtszüge sich beim Anblick ihrer Tochter unmerklich entspannt hatten. Jetzt sah er, was Hawkins Aufmerksamkeit auf die Farmerswitwe gelenkt hatte. Ohne die Anspannung, die jede Weichheit aus Ruths Gesicht genommen hatte, war ihre Schönheit genauso klar zu sehen wie die ihrer Tochter. Jetzt, wo der Hauch eines Lächelns auf ihren Lippen lag, verstand er nicht mehr, wie er sie unattraktiv hatte finden können.
»Ein schönes Mädchen«, murmelte George. Er stand auf und nahm die Fotos. »Ich würde die Bilder gern für eine Weile an mich nehmen.« Hawkin nickte. »Sergeant, könnte ich kurz draußen mit Ihnen sprechen?«
Die zwei Männer traten aus der warmen Küche in die eiskalte Nachtluft. Als George die Tür hinter sich schloß, hörte er Ruth resigniert sagen: »Ich mache jetzt Tee.«
»Was sagen Sie dazu?« fragte George. Er brauchte Lucas’ Bestätigung nicht, um zu wissen, daß dies etwas Ernstes war, aber wenn er jetzt seine Autorität gegen den Uniformierten herauskehrte, sagte er damit, er glaube, das Mädchen sei ermordet worden oder Opfer eines schlimmen Überfalls geworden. Und obwohl sich bei ihm die Meinung festigte, daß dies geschehen war, regte sich doch die abergläubische Furcht, es könnte eintreffen, nur weil er so handelte, als sei es schon Wirklichkeit.
»Ich glaube, wir sollten so schnell wie möglich den Diensthundeführer hierher holen, Sir. Sie könnte gefallen sein. Sie könnte verletzt irgendwo liegen. Wenn sie vom Steinschlag getroffen worden ist, könnte der Hund umgekommen sein.« Er schaute auf die Uhr. »Vier unserer Männer in Uniform haben zusätzlich beim Gedenkgottesdienst für Kennedy Dienst. Wenn wir uns beeilen, können wir sie noch erwischen, bevor ihr Einsatz zu Ende ist, und sie mit allen, die wir irgendwie entbehren können, hier rauskommen lassen.« Lucas griff an George vorbei nach der Tür. »Ich muß von hier aus telefonieren. Es hat keinen Sinn, das Funkgerät zu nehmen. Unten in der Markham-Main-Grube hätte man einen besseren Empfang als hier.«
»Okay, Sergeant. Organisieren Sie alles für eine Suchmannschaft. Ich rufe Detective Sergeant Clough und Detective Constable Cragg. Sie können mit der Befragung in den Häusern des Dorfs anfangen, so daß wir feststellen können, von wem und wo sie zuletzt gesehen wurde.« George spürte ein leichtes Flattern im Magen wie Premierenfieber. Und genau das war es natürlich auch. Wenn er mit seinen Befürchtungen recht hatte, stand er vor dem ersten großen Fall, für den er persönlich vollkommen verantwortlich sein würde. Und nach diesem Fall würde er während seiner ganzen Laufbahn beurteilt werden. Wenn er nicht aufdeckte, was mit Alison Carter geschehen war, so würde dies immer wie ein Joch auf seinen Schultern lasten.
3
Mittwoch, 11. Dezember 1963, 21 Uhr 07
D er Atemhauch des Hundes wirbelte in Wölkchen durch die Nachtluft, als hätte er ein eigenes Leben. Der Schäferhund saß ruhig auf seinen Hinterbeinen, die Ohren gespitzt, die Augen blickten wachsam über die Dorfwiese hin. Dusty Miller, der Hundeführer, stand bei seinem Schützling und kraulte zerstreut mit einer Hand die kurzen hellbraunen und schwarzen Haare zwischen den Ohren. »Prince wird Kleider und Schuhe von dem Mädchen brauchen«, sagte er zu Sergeant Lucas. »Je
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