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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Erfüllung gehen; wenn sie ihre Mitschüler, die sie beschimpften, weil sie nicht zu ihnen gehörte, voller Haß betrachtet hatte; wenn sie sich heftig danach gesehnt hatte, erwachsen zu sein und all diese Qualen hinter sich zu haben. All das schien nun nicht mehr wichtig. Das einzige, was eine Rolle spielte, war ihr unersetzlich kostbares Leben, das sie nun verlieren sollte.
    Sie muß große Angst gehabt haben. Angst vor dem, was jetzt unmittelbar auf sie zukam, und vor dem Danach. Sie war im Glauben an den Himmel erzogen worden und auch an sein notwendiges Gegenstück, die Hölle, die gleich große und entgegengesetzte Kraft, die die Welt im Gleichgewicht hielt. Sie hatte ihre eigenen, sehr klaren Vorstellungen davon, wie dieser Himmel aussehen würde. Inbrünstiger, als sie sich je etwas in ihrem kurzen Leben erhofft hatte, wollte sie glauben, daß dies jetzt vor ihr lag, erschreckend nah.
    Aber sie hatte schreckliche Angst, in die Hölle zu kommen. Sie wußte nicht genau, worin diese bestand. Sie wußte nur, daß sie im Vergleich zu allem, was sie im Leben haßte, noch viel schlimmer sein würde. Und da dies nicht wenig war, hieß das, es würde wirklich sehr schlimm sein.
    Trotzdem hatte sie keine andere Wahl. Das Mädchen mußte von seinem Leben Abschied nehmen.
    Für immer.

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    TEIL 1
    Der Anfang
    Manchester Evening News,

Dienstag, 10. Dezember 1963, Seite 3
     
    Junge vermißt
100 Pfund Belohnung
     
    Die Polizei setzte heute die Suche nach einem zwölfjährigen Jungen, John Kilbride, fort. Man hofft, daß die Aussetzung einer Belohnung eine neue Spur zutage bringen wird.
    Ein ortsansässiger Betriebsleiter hat jedem 100 Pfund geboten, der Hinweise zur Auffindung von John geben kann, der seit 18 Tagen aus seinem Elternhaus in der Smallshaw Lane in Ashton-under-Lyne verschwunden ist.

1
    Mittwoch, 11. Dezember 1963, 19 Uhr 53
    H elfen Sie mir. Sie müssen mir helfen.« Die Stimme der Frau zitterte, sie drohte in Tränen auszubrechen. Der Polizeibeamte vom Dienst hatte den Hörer abgenommen und hörte etwas wie einen Schluckauf, als hätte die Frau am Apparat Schwierigkeiten, zu sprechen.
    »Dafür sind wir ja da, Madam«, sagte Constable Ron Swindells apathisch. Er hatte fast fünfzehn Jahre lang in Buxton Dienst geschoben, und während der letzten fünf Jahre hatte er oft das Gefühl, er erlebe die ersten zehn noch einmal. Er fand, es gab nichts Neues auf der Welt. Diese Sicht der Dinge sollte von den kommenden Ereignissen bald erschüttert werden. Aber fürs erste begnügte er sich noch mit der Phrase, die sich bis heute immer bewährt hatte: »Was ist passiert?« fragte er mit seiner tiefen, sanften, aber unpersönlichen Baßstimme.
    »Alison«, sagte die Frau schwer atmend. »Meine Alison ist nicht heimgekommen.«
    »Alison ist Ihre Kleine, oder?« fragte Constable Swindells demonstrativ gelassen und versuchte dadurch, beruhigend auf die Frau einzuwirken.
    »Sie ist gleich mit dem Hund rausgegangen, als sie aus der Schule kam. Und bis jetzt ist sie nicht heimgekommen.« Hysterische Erregung ließ die Stimme der Frau höher klingen. Swindells warf automatisch einen Blick auf die Uhr. Sieben Minuten vor acht. Die Frau machte sich zu Recht Sorgen. Das Mädchen mußte schon fast vier Stunden von zu Haus weg sein, und zu dieser Jahreszeit war das nicht lustig. »Könnte sie vielleicht zu Freunden gegangen sein, spontan, weil es ihr gerade in den Sinn kam?« fragte er und wußte bereits, daß sie das schon überlegt hatte, lange bevor sie ihn überhaupt anrief.
    »Ich hab an alle Türen im Dorf geklopft. Sie ist weg, sag ich Ihnen. Meiner Alison ist etwas zugestoßen.« Jetzt fing die Frau zu weinen an, sie stieß die halb erstickten Worte in den Pausen zwischen den Schluchzern hervor. Swindells glaubte, eine andere Stimme im Hintergrund murmeln zu hören.
    Dorf, hatte die Frau gesagt. »Von wo rufen Sie eigentlich an, Madam?« fragte er.
    Nach einem gedämpft klingenden Wortwechsel war eine klare männliche Stimme zu hören, ein unverkennbar aus dem Süden stammender Akzent, aus dem energische Autorität sprach. »Philip Hawkin hier, vom Manor House in Scardale«, sagte er.
    »Ich verstehe, Sir«, sagte Swindells argwöhnisch. Obwohl diese Auskunft eigentlich nichts an der Situation änderte, ließ sie den Polizeibeamten vorsichtiger werden, da er sich bewußt war, daß Scardale in mehr als einer Hinsicht außerhalb seiner gewohnten Einflußsphäre lag. Scardale war nicht nur eine ganz andere Welt

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