Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
an die Gepflogenheiten«, sagte der Botschafter.
    »Wir hören zu, informieren Deutschland, beten. Alles andere überlassen wir den Algeriern.«
    »Ganz recht.«
    Eley nickte, beobachtete, wie gegenüber mehrere Männer und Frauen mit Fotoapparaten die Kirche verließen und sich auf dem Platz postierten. Der Priester und das Brautpaar folgten, auf dem Treppenabsatz blieben sie stehen, ließen sich fotografieren.
    Nicht einmal heiraten wäre eine Lösung, dachte er. Amel würde alles verlieren. Sie müsste Algerien verlassen. Einer Muslima war die Ehe mit einem Nichtmuslim verboten.
    Der Botschafter hob die Hand, winkte, seine Tochter winkte mit dem Brautstrauß zurück. Sie hatte einen Mitarbeiter der Deutsch-Algerischen Handelskammer geheiratet, einen Algerier, der in Hannover studiert hatte. Eley hatte ihn auf Empfängen getroffen, fand ihn sympathisch, bescheiden, liberal. Der Botschafter war noch skeptisch. Man wisse nicht, hatte er gesagt, ob das traditionell Muslimische nicht doch eines Tages mit ganzer Wucht durchbreche. Ob der Schwiegersohn nicht irgendwann verlange, dass die Tochter den Schleier trage, das Haus abends nicht mehr verlasse, sich nicht mehr allein mit männlichen Freunden treffe. Sie sei hübsch, die Männer mochten sie. Das müsse man ertragen können als Ehemann. Manche seiner muslimischen Bekannten und Kollegen in Kairo hätten es nicht ertragen.
    »Was meinen Sie, al-Qaida im islamischen Maghreb?«
    »Sieht so aus«, sagte Eley.
    »Die Algerier glauben das auch.«
    »Aber?«
    Der Botschafter hob das Kinn, zog sich die Fliege vom obersten Hemdknopf und steckte sie in die Seitentasche. »Was ist mit den Kabylen?«
    »Die haben mit Ausländern kein Problem, nur mit der Regierung.«
    »Elbe Algérie repräsentiert die Regierung.«
    Eley schüttelte den Kopf. Nicht die Berber im Norden, die waren politisiert, wollten Autonomie, verteidigten ihre Kultur, sie waren keine Kriminellen. Bei den Tuareg in der Sahara verhielt es sich, zumindest im Hinblick auf manche Stämme, anders. Nichts, was durch die Wüste kam, konnte da ohne deren Wissen und Unterstützung durch, weder Menschen, noch Waffen, noch Drogen. Doch die Tuareg gingen nicht nach Constantine, um jemanden zu kidnappen. Sie verließen die Wüstenregionen nicht.
    »Ansar Dine? MUJAO ? Irgendeine neue Scheißislamistenbande?«
    Eley musste lächeln. Kein Wort, das der Botschafter, ein distinguierter Diplomat alter Schule, sonst in den Mund nahm. Für einen Moment empfand er Mitleid. Gerade mal ein Jahr in Algier – nach fünf Jahren Kairo und zwei Jahren Berlin im Auswärtigen Amt –, schon hatte er sich mit einer derart heiklen Angelegenheit herumzuschlagen. »Glaube ich nicht.«
    Ansar Dine operierten vorwiegend in Mali, und weder die algerische Armee noch AQM würden sie nach Algerien lassen. AQM wollte hier vermutlich keine Dschihadisten mit eigener Agenda, und die Armee hatte wegen des Mali-Konflikts Tausende Soldaten an die Grenze verlegt. MUJAO wiederum, ein schwarzafrikanischer AQM -Ableger, konzentrierte sich auf Südalgerien und den Sahel, und von einer neuen algerischen Gruppe hätte Eley gewusst.
    Der Botschafter winkte erneut, aber die Tochter sah nicht herüber. Eine Windböe zerzauste sein allzu früh weiß gewordenes Haar. Er war mittelgroß, dreiundfünfzig, hatte eine Hakennase, verwachsene Aknenarben, ein schmales Gesicht. Ein bis in die letzte Körperfaser integrer Mann, erschreckend hart gegen sich selbst, wenn es darum ging, die diplomatischen Pflichten zu erfüllen.
    »Hat er eine Chance, Eley?«
    »Wenn sie auf Lösegeld aus sind, und wenn sich die Algerier zurückhalten, ja. Aber es wird dauern. Rechnen Sie nicht damit, dass wir in den nächsten Tagen etwas hören.«
    Der Botschafter nickte.
    »Und keine Presse«, sagte Eley. »Zumindest vorerst nicht.«
    Die Tochter hatte sich umgedreht, warf den Brautstrauß. Man jubelte, lachte, klatschte.
    »Wer hat ihn gefangen?«, fragte Florian.
    »Eine der Französinnen«, sagte Eley. »Vom Kulturinstitut.«
    »Fahren wir«, sagte der Botschafter, und sie gingen zum Parkplatz hinüber. Der gepanzerte schwarze Dienstmercedes stand an der Einfahrt, draußen warteten zwei Streifenwagen, was neu war, wohl eine Konsequenz aus der Entführung.
    Zwischen den Polizeiautos fuhren sie die Serpentinen durch das ausgelaugte Bologhine hinunter.
    »Wie war der Urlaub?«, fragte Florian, der am Steuer saß.
    »Jahre zu kurz«, sagte Eley.

4
    BERLIN
    Die Frau hinter dem Sofa

Weitere Kostenlose Bücher