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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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lebte.
    Wiebke Ebert, Sekretärin im Auswärtigen Amt, Referat Exportkontrolle. Anfang fünfzig, fortgeschrittene Cellulitis an den Oberschenkeln, wenn Wegner richtig interpretierte, was er da sah. Der Rock war bis zum Bauch hochgeschoben, die Bluse stand halb offen. Das aschblonde Haar zerzaust, ein Arm lag quer über den Augen. Wiebke Ebert schlief.
    Wegner begann sich zu erinnern.
    Ein hellbrauner Männerhintern, die Anzughose an den Knöcheln, in beiden Socken münzgroße Löcher an den Fersen. Er hatte sich noch gefragt, was der Mexikaner da tat, hinter dem Sofa.
    Hatte sich mit Ausdauer um Wiebke Ebert gekümmert.
    Er gönnte ihr die Freude. Eine stille Arbeitsbiene, unverheiratet, zu grau und zaudernd für diese Welt. Ohne jeglichen Einfluss in ihrem Referat, doch mit allen aktuellen Vorgängen in Bezug auf die Genehmigung von Rüstungsexporten vertraut, weil sämtliche Unterlagen zur Weitergabe an das Wirtschafts- und das Verteidigungsministerium sowie den Bundessicherheitsrat über ihren Tisch wanderten.
    Wegner hob das Smartphone. Zufrieden nahm er zur Kenntnis, dass die Kamera selbst nach Stunden im Wasser funktionierte.
    Sie saßen am Küchentisch, Wegner im Morgenmantel, gegenüber Wiebke Ebert, die Bluse zugeknöpft, die Frisur wiederhergestellt. Sie hielt den Kopf gesenkt, rang die Hände. Sie hatte geweint, er hatte versucht, sie zu trösten. Dann hatte er Espresso aufgebrüht und in der Mikrowelle Croissants aufgewärmt. »So was passiert eben mal«, sagte er.
    »Sie werden es niemandem erzählen, oder?«
    »Aber nein.« Er hob die rechte Hand, versprach es zum fünften Mal. Er tunkte die Croissantspitze in den Espresso und biss ab. »Wollen Sie seine Telefonnummer?«
    »Nein!« Ebert schlug die Hände vors Gesicht.
    »Nur ein Scherz.«
    »Wie peinlich! Wie furchtbar peinlich!«
    Das Gespräch begann ihn zu langweilen. Er musste arbeiten, sich die Geschichten notieren, die Verbundenheit schufen. Er strahlte und sagte: »Am Donnerstag geht’s los?«
    Wiebke Ebert trocknete sich die Wangen mit einem zerfransten Papiertaschentuch. »Ja.«
    »Machen Sie Fotos.«
    Als Staatsbedienstete verdiente Ebert nicht schlecht, doch alles Geld, was übrig blieb, wanderte in Bausparverträge, Lebensversicherungen, Bundesschatzbriefe und eine altersgerechte Zweizimmerwohnung in Charlottenburg. Sie war realistisch – sie war allein und würde es bleiben. Finanzielle Sicherheit bedeutete ihr alles, ausreichend Geld fürs Altern in Einsamkeit. Also sparte sie diszipliniert, fuhr im Urlaub nach Mecklenburg oder Polen. Größere Reisen samt Begleitung durch einen gemieteten Gentleman finanzierte Wegner über eines der Konten, die ihm zur Verfügung standen. Zwei Wochen Karibik vor drei Jahren, Capri vor eineinhalb, eine Pazifikkreuzfahrt ab Donnerstag. Wiebke Ebert liebte das Meer und distinguierte Charmeure, doch vor allem liebte sie Schiffe. Wenn sie von Schiffsreisen erzählte, wurde sie für Momente beinahe attraktiv.
    »Gut«, sagte er. »Ich muss jetzt arbeiten.«
    Sie stand auf, ging zur Küchentür, kehrte zurück, setzte sich wieder. »Gestern …«
    Wegner seufzte. »Vergessen Sie gestern.«
    »Gestern Morgen hatte Dr.   Zimmermann … Der Leiter der Abteilung 3 im Auswärtigen …«
    »Ich weiß, wer Zimmermann ist.«
    »Er hatte gestern Morgen einen Schlaganfall.«
    »Bedauerlich. Und?«
    »Dr.   Prinz wird seine Verpflichtungen kommissarisch übernehmen.«
    »Prinz?«
    »Katharina Prinz, die Beauftragte für Nah- und Mittelostpolitik und Maghreb, 3-B-1.«
    Wegner war hellhörig geworden. Wiebke Ebert sprach hastig, fast tonlos, wie immer, wenn sie Interna weitergab. »Und was bedeutet das?«
    Dr.   Prinz, erwiderte sie, sei eine Gegnerin von Rüstungsexporten nach Nordafrika. 2011 und 2012 habe sie Dr.   Zimmermann gedrängt, die Zustimmung der Abteilung 3 zu den Rüstungsgeschäften mit Algerien zu verweigern und dem Minister sowie dem Bundessicherheitsrat zu empfehlen, dasselbe zu tun. Doch Dr.   Zimmermann habe unter starkem Druck von BMV g und BMW i gestanden. So gut wie alle bis hinauf in die Regierungsspitze hätten den Deal gewollt. Ihm habe der Mut gefehlt, sich dagegen zu stemmen. Deshalb habe die Abteilung letztlich ohne Einschränkungen zugestimmt.
    Wegner verstand. Zimmermann lag auf der Intensivstation, der Weg für Prinz war frei.
    Er rieb sich die Augen. Sein Pulsschlag beruhigte sich. Es war zu spät. Die Verträge waren längst unterzeichnet – zwanzigtausend MRG -45-Sturmgewehre

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