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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Botschafter.
    »Bei einem Bier«, sagte Eley zu Florian gewandt.
    Der Kollege winkte sie weiter. Sie rollten in die Garage, stiegen aus, eilten durch den weitgehend ungenutzten Vordertrakt, der an der viel befahrenen Straße lag. Eine Mitarbeiterin der Politischen Abteilung stieß zu ihnen, Carola Liebig, Ende dreißig, aufgequollen vom algerischen Gebäck. Sie war wie immer stark geschminkt, wollte die faltige Raucherinnenhaut verbergen. Vor dem tiefen Dekolleté tanzte an einem Band die Brille, am Gürtel steckte das Bürotelefon. Sie hatte Mühe, Schritt zu halten, keuchte ein bisschen. »Wir haben Fotos aus dem Gästehaus, vom Nachrichtendienst.« Sie hielt dem Botschafter einen Umschlag hin.
    »Danke. Haben Sie Herrn Schneider erreicht?«
    »Nein, er ist wie vom Erdboden verschluckt.«
    Eley lächelte. Schneider, der BND -Resident, Geheimniskrämer vor Allah. Niemand wusste je, wo er war, wenn er nicht in seinem Büro saß. Meistens hockte er nur auf dem Klo. Der Botschafter hielt große Stücke auf ihn, vor dem BND hatte man Respekt. Das Bundeskriminalamt war, was das Ausland betraf, eine andere Nummer. Ein »Verbindungsbeamter« trug die Bedeutungslosigkeit irgendwie schon in der Bezeichnung, anders als ein »Resident« des BND . Dazu kam, dass ein BND -Mitarbeiter niemandem erklären musste, weshalb er in Algier saß. Eley dagegen kam aus dem Erklären kaum heraus.
    »Hat er nicht neulich gesagt, er muss mal nach Islamabad?«, fragte er.
    »Ausgerechnet jetzt«, erwiderte der Botschafter.
    »Er wird schon wiederkommen.«
    Sie passierten Räume mit offenen Türen, überall hektische Betriebsamkeit, Telefonate wurden geführt, Drucker und Kopierer lärmten. Die Maschinerie war angelaufen.
    Der Botschafter zog die Fotos aus dem Umschlag, blieb stehen. Eley hörte die Stimme des Militärattachés, Oberst im Generalstab zu Geuyn, meinte, ein »Selbstverständlich, Herr Minister« zu hören. Er drehte den Kopf. Auch zu Geuyn telefonierte, groß und breit stand er vor dem Fenster seines Büros, winkte ihm zu. Goldkettchen am Gelenk und am Hals, braun gebrannt, sah fast aus wie ein Maghrebiner. Im Gegensatz zu Eley sprach er nicht nur Französisch, sondern auch Arabisch. Er wurde von den hiesigen Ansprechpartnern hofiert, man hatte großes Interesse an deutschen Rüstungsgütern, Merkel und Bouteflika hatten 2008 einiges in die Wege geleitet. Zu Geuyn erhielt Einladungen in die Villen im Club des Pins, ging auf Sahara-Rundreise mit Generälen der Armee.
    Eley winkte zurück.
    Der Botschafter hatte die Fotos durchgeblättert, reichte sie an ihn weiter. »Steht die Verbindung zum Krisenreaktionszentrum?«
    »Seit zwei Stunden, Herr Botschafter«, erwiderte Liebig.
    »Der Außenminister?«
    »Weiß Bescheid und hat bereits mit dem algerischen Kollegen telefoniert. Er ist in großer Sorge und …«
    »Ja«, unterbrach der Botschafter sie.
    Eley zog die Fotos aus dem Umschlag, ein gutes Dutzend. Sie zeigten zwei Motive aus unterschiedlichen Perspektiven und Entfernungen: die Leiche eines Mannes, der in einer Blutlache auf dem Bauch lag, offenbar Tonis Kollege. Und ein Projektil in der Wohnzimmerwand. Nichts weiter. Kein eingeschlagenes Fenster, kein manipuliertes Schloss, keine anderen Spuren.
    Keine Antworten.
    Die algerische Krankheit, hatte Amel es genannt. Fragen wurden unterdrückt, Antworten bekam man nicht. Die Wahrheit wurde für irrelevant erklärt, weil sie destabilisieren konnte. Die wenigsten Algerier wagten es, dieses System zu durchbrechen.
    Auch Amel nicht.
    Und Eley verstand sie. Ihr Vater und ihr Onkel waren 1996 von Islamisten geköpft worden. Zwei Dutzend Bärtige hatten das Dorf im Tellatlas überfallen, maskiert, schwer bewaffnet, im Blutrausch. Die Bewohner wurden zusammengetrieben, anhand einer Liste FLN -Mitglieder identifiziert, darunter Amels Vater, der Bürgermeister, und ihr Onkel, der Polizist, Helden des glorreichen Befreiungskrieges der Fünfziger. In den Neunzigern knieten sie inmitten ihrer Frauen und Kinder im Staub einer Dorfstraße, eine Axt am Nacken. Starben, wie niemand sterben durfte.
    Ne demande plus jamais, hatte Amel gesagt.
    Und Eley hatte nie wieder gefragt.
    Liebigs Telefon klingelte, sie meldete sich, reichte es an den Botschafter weiter. Eine kühle Frauenstimme drang gedämpft an Eleys Ohr. Er verstand nicht, was sie sagte, kannte die Stimme nicht, hatte sie noch nie gehört, nicht so.
    »Samraoui«, flüsterte ihm Liebig zu, und er nickte.
    Der Botschafter trug die fremde

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