Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
hob die Brauen. »So oder so.« Er stand auf, streckte sich. Das Tennismatch hatte ihn über alle Maßen erschöpft. Was für eine dumme Idee, nach einer achtstündigen Reise Tennis zu spielen.
    Und in ihm rumorte die Finsternis.
    Als Kind hatte er Steine in die Nacht geworfen, um die Geister zu vertreiben. Sie sollten wissen, dass er wehrhaft war. Mit fünfzehn hatte er sich eine Steinschleuder gebastelt. Mit Anfang dreißig war er in die Rüstungsindustrie eingetreten.
    Er lächelte flüchtig ins Nichts.
    »Wollen Sie’s wirklich wissen?« Toni zog eine dunkelgraue Automatikpistole mit schwarzem Griff aus dem Holster und legte sie auf den Tisch.
    Richter trat näher. Im kargen Schein der Terrassenbeleuchtung waren Hersteller und Modell nicht zu erkennen.
    »Eine MAC -50.«
    »Eine Französin«, sagte Richter, beugte sich über die Waffe. »Eine alte Dame, auch wenn man es ihr nicht ansieht.« Die MAC -50 wurde seit 1978 nicht mehr hergestellt.
    Toni lächelte. »Wir kommen bestens miteinander klar.«
    »Die Pistole der algerischen Armee. Neben der chinesischen Tokarew.«
    »Sie sind gut informiert.«
    »Ich war lange bei Meininger Rau.«
    Toni steckte die Waffe wieder ein. »Von ihr bin ich abhängig. Seit dreißig Jahren habe ich keinen Tag ohne Pistole verbracht. Seit acht Jahren keinen Tag ohne sie.« Er klopfte sich auf die Hüfte. »Nicht weil ich Angst hätte. Sie macht mich zu dem, der ich bin. Ohne sie würde nichts bleiben. Kein Verwendungszweck für den alten Toni. Sie sind also mit Waffen vertraut?«
    »Nur vom Schießstand.«
    »Beneidenswert.« Toni erhob sich, unterdrückte ein Gähnen. »Verzeihen Sie. In zwanzig Minuten gibt’s Abendessen. Falls Sie noch duschen wollen.«
    Richter ging hinauf. Jeder Schritt fiel ihm schwer, als wären die Gelenke aus Blei. In seinem Zimmer ließ er sich auf die Seidendecke des Doppelbettes nieder, sank tief in blumig duftende orientalische Gemütlichkeit. Er hätte einen Stapel Algerische Dinare gegeben für ein Zimmermädchen, das ihm die Schnürsenkel löste, ihm Schuhe und Socken auszog, Madjer konnte er nicht darum bitten, der war heimgefahren und würde erst am Morgen zurückkommen, hockte jetzt oben im lichtdurchfluteten Constantine, wo man einen wie ihn ohne halbe Kompanie nicht einmal Gondel fahren lassen wollte …
    Toni weckte ihn.
    Er hob den Kopf, setzte sich verwirrt auf. Als er die Turnschuhe an seinen Füßen sah, begriff er. »Tut mir leid, ich bin ein bisschen müde, die Reise …«
    »Kein Problem. Sie können das Essen ausfallen lassen.«
    »Nein, nein, ich komme. Geben Sie mir zehn Minuten.«
    Er duschte rasch, zog sich an, ging den Flur entlang, noch müder als zuvor.
    Auf der Treppe ins Wohnzimmer hinunter nahm er den Geruch von gebratenem Fleisch und Gewürzen wahr. Stimmen drangen an sein Ohr, Toni und Ahmed, die auf Algerisch miteinander sprachen, merkwürdig angespannt klangen. Sie standen mitten im Raum, schwiegen abrupt, als sie ihn bemerkten. Ihre Blicke folgten ihm, und er spürte, dass sich etwas verändert hatte.
    »Qu’est ce qui se passe?«
    »Le café«, sagte Ahmed. »Ich trinke keinen Kaffee.«
    »Hast du Wasser getrunken?«, fragte Toni.
    »Nicht das draußen auf dem Tisch.«
    »Ich verstehe nicht …«, sagte Richter.
    »Die Müdigkeit«, erwiderte Toni. »Nur Ahmed ist nicht müde.«
    Richter spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Er verstand immer noch nicht, aber die Angst war schon da. Rasch trat er in den durch ein hüfthohes Mäuerchen abgetrennten Essbereich und setzte sich an den Tisch, der für eine Person gedeckt war. Jenseits der raumhohen Fensterwand lauerte das Schwarz der Nacht, diesseits glitten Schemen hin und her, Ahmed hatte den Vorhang aus einer Kordelschleife gelöst, zog ihn hastig über die ganze Breite zu, in der anderen Hand ein Telefon. Er hob es ans Ohr, schüttelte den Kopf, sagte zu Toni: »Toujours rien.«
    »Le portable!«
    »Dans ma chambre.«
    »Non, reste ici, on doit rester ensemble.«
    Plötzlich stand Toni neben ihm, stützte sich schwer auf den Tisch.
    »Ich möchte gern essen«, stieß Richter heiser hervor.
    »Zu spät.«
    Erst jetzt bemerkte er, wie blass und erschöpft Toni aussah, bemerkte den dünnen Schweißfilm auf seiner Stirn, das Zucken der Augenlider.
    Da verstand er. Der Kaffee, das Wasser draußen auf dem Tisch, versetzt mit … irgendetwas.
    »Passiert das wirklich ?«, flüsterte er.
    »Sieht so aus.«
    »Und … wer?«
    »Wollen Sie eine Waffe, Herr

Weitere Kostenlose Bücher