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Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hielt auf die Straße zu. Inzwischen war jede Farbe aus dem Himmel gewichen. Bleich wölbte er sich über dem Fluss, während die Frühmorgensonne die Werften und Lagerhäuser in Silhouetten verwandelte. Ein halbes Dutzend Schauermänner auf dem Weg zur Arbeit kam an ihm vorbei. Weiter vorn senkte ein Laternenanzünder, selbst kaum mehr als ein grauer Schatten, seinen langen Stab über die letzte Lampe in dieser Straße und löschte ihr Licht.
    Eine Stunde später standen Monk und Orme, beide immer noch fröstelnd, in der örtlichen Polizeiwache. Ihre durchnässten Hosen klebten ihnen an den Beinen, und in ihren Knochen steckte eine Kälte, die nicht einmal heißer Tee mit Whisky vertreiben konnte. Aus einem Nachbarraum kam Overstone, der Polizeiarzt, herein und zog die Tür hinter sich zu. Bereits in den Sechzigern, hatte er schütteres, mit grauen Strähnen durchwirktes blondes Haar und einen wachen Gesichtsausdruck. Sein Blick wanderte vom örtlichen Sergeant zu Orme und dann weiter zu Monk. Langsam schüttelte er den Kopf.
    »Schlimme Sache«, murmelte er mit leiser Stimme. »Die meisten, wenn nicht alle Verstümmelungen wurden ihr mit ziemlicher Sicherheit erst nach dem Tod zugefügt. Lässt sich allerdings nicht mit völliger Bestimmtheit sagen, denn wenn sie nicht schon vorher tot war, wäre sie spätestens dabei gestorben. Aber ein übles Blutbad hat es trotzdem gegeben. Sie ist praktisch vom Nabel bis zur Lende aufgeschlitzt worden.«
    Monk sah dem Mann in das angespannte Gesicht und erkannte Mitleid in seinen Augen. »Wenn sie schon tot war, als das passierte, was hat sie dann umgebracht?«
    »Der Schlag gegen den Hinterkopf«, antwortete Overstone. »Ein einziger. War hart genug, um den Schädel zu brechen. Stück von einem Bleirohr oder etwas Ähnliches, würde ich sagen.« Er stand vor einem Pult, das mit den von allen möglichen Leuten handschriftlich verfassten Dokumenten in jeder erdenklichen Größe beladen war. Außen herum reihten sich aufgeräumte Regale aneinander, die nicht aufs Geratewohl vollgestopft worden waren wie in seinem eigenen Büro. Hier gab es keine Fahndungsplakate an den Wänden.
    »Nichts Hilfreiches, was Sie uns sagen könnten?«, fragte Monk ohne Hoffnung.
    Overstones Mundwinkel sackten noch weiter nach unten. »Ziemlich brutal. Der Täter legte gewaltige Kraft in den Schlag, aber es kann so ziemlich jeder ab einer Größe von fünf Fuß gewesen sein.«
    »Linke Hand? Rechte Hand?«, fragte Monk.
    »Beides, würde ich sagen, aber wahrscheinlich ein Rechtshänder.« Overstones Stimme nahm einen bedauernden Ton an. »Hilft Ihnen nicht gerade; die meisten sind schließlich Rechtshänder.«
    »Und die … Verstümmelung?«
    »Lange Klinge. Zehn bis fünfzehn Zentimeter, schätze ich. Die Schnittwunden sind tief; scharf geschliffene Schneide. Fleischermesser, Seemannsmesser – meinetwegen auch das Messer eines Segelmachers. Um Himmels willen, Mann, jeder zweite Kerzendreher, Schauermann oder Bootsbauer hier am Fluss hat irgendetwas, mit dem er die arme Frau hätte aufschlitzen können. Sogar eine Rasierklinge kann so etwas anrichten! Also kommt auch ein Barbier infrage. Oder jeder, der sich rasiert.« Der Arzt wirkte ärgerlich, als bereitete es ihm Schuldgefühle, dass er nicht in der Lage war, die Antwort präziser zu fassen.
    »Oder jede Hausfrau, die ’ne Küche hat«, ergänzte der Sergeant.
    Monk blickte ihn schief an.
    Der Mann senkte die Augen. »Tut mir leid, Sir.«
    »Ist schon gut«, murmelte Monk. »Sie haben ja recht. Hätte wirklich so gut wie jeder sein können.« Er wandte sich wieder an Overstone. »Und die Frau? Was können Sie mir über sie sagen?«
    Der Polizeiarzt zuckte resigniert mit den Schultern. »Mitte vierzig. Bei guter Gesundheit, soweit ich das nach einer so kurzen Untersuchung beurteilen kann. Hellbraunes Haar, an den Schläfen schon etwas grau. Blaue Augen, hübsches Gesicht, aber keine auffälligen Merkmale. Gepflegte Zähne, was wohl ungewöhnlich ist, wenn ich es bedenke. Sehr weiß; vorn vielleicht etwas schief. Ich könnte mir vorstellen, dass es recht reizvoll aussah, wenn sie lächelte.« Er senkte den Blick auf den ausgetretenen Holzboden. »Manchmal hasse ich diesen verfluchten Beruf!«
    Abrupt hob er wieder den Kopf, und der Moment der Schwäche war vorbei. »Morgen kann ich vielleicht mehr sagen. Eines kann ich Ihnen aber schon jetzt verraten: Bei einer Verstümmelung wie dieser hier werden die Emotionen sehr hochschlagen. Sobald das die

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